HANS JONAS ALS GNOSISFORSCHER
2001; Estonian Academy Publishers; Volume: 5; Issue: 4 Linguagem: Alemão
10.3176/tr.2001.4.01
ISSN1736-7514
Autores Tópico(s)Linguistics and language evolution
ResumoDie Arbeit der sogenannten Geistes-, Kultur- oder Gesellschaftswissenschaften wird bekanntlich durch verschiedene Forschungsstrategien bestimmt. Abgesehen von den Arbeitsbereichen als solchen, d.h. den Objekten, denen die Aufmerksamkeit des Forschers gewidmet ist, sind es vor allem die methodischen Zugange, also die Methodologie, und die Quellensituation, also die Zeugnisse verschiedener Art, die den Fortgang der Forschung sehr beeinflussen. Der von Thomas S. Kuhn eingefuhrte Begriff lasst sich schnell auch auf die Kulturwissenschaften ubertragen, wie vielfach geschehen, da auch in ihnen der Prozess der fortschreitenden Aneignung vergangenen und gegenwartigen Geschehens von bestimmten bewussten oder meist unbewussten Vorverstandnissen abhangig ist. Gerade unsere Gegenwart zeigt auf ziemlich oft rasante Weise, wie die zunehmende chronologische und raumliche Ausdehnung der wissenschaftlichen Betrachtung von einer zunehmenden Reflexion auf das und Tun des Forschers begleitet wird. Ich erinnere nur an die Frage nach den Ethnozentrismen auf diesen Gebieten. Speziell die historische Forschung, in unserem Fall die Religionsgeschichte, hat immer wieder Paradigmenwechsel vollziehen mussen, oft recht verspatet im Vergleich zu ihren Nachbardisziplinen. Dies lasst sich auf dem Gebiet der Beschaftigung mit der antiken Gnosis, dem sogenannten Gnostizismus (so noch vielfach im Englischen und Franzosischen) leicht aufzeigen. Es sind einerseits der Wandel in der Fragestellung gegenuber--diesem Gegenstand uberhaupt, andererseits der Gewinn an Material durch neue Funde. Letzteres lasst sich uberhaupt nicht beherrschen oder voraussehen. Neue Entdeckungen sind oftmals der Ausloser nicht nur fur eine Ausweitung und /oder Vertiefung des Forschungsgebietes, sondern auch fur einen Wechsel der Betrachtung, ja der Methode generell. Lassen Sie mich dies kurz am Beispiel der Gnosisforschung zeigen, die fur Hans Jonas in seiner fruhen wissenschaftlichen Beschaftigung so dominant geworden ist. Abgesehen von der haresiologischen Apologetik der alteren christlichen Literatur, die uns einige Zeugnisse der antiken Gnostiker bewahrt hat, aber ihnen voreingenommen gegenuberstand, sind es die Arbeiten der neueren Kirchengeschichtsschreibung seit Ende des 18. und dann im 19. Jh., die nicht nur eine bahnbrechende Kritik der uberlieferten Quellen einleitete, sondern sich auch dem theologischen Anliegen der Gnosis gegenuber offener zeigte. Namen, wie Johann Lorenz von Mosheim, Ferdinand Christian Baur, Richard Adalbert Lipsius, Adolf Hilgenfeld, Adolf von Harnack, stehen dafur. Die Fremdheit mancher gnostischer Ideen, die sich weder aus dem Christlichen noch dem Griechischen erklaren liessen, fuhrte man vielfach auf orientalische, ja asiatische (z.B. buddhistische) Vorgaben zuruck oder griff den alten Mutterboden der Magie dafur auf. Der Standort der Betrachtung war allerdings primar ein kirchen- bzw. dogmengeschichtlicher, d.h. die Gnosis war ein Thema der fruhen Christentumsgeschichte, fur Harnack das Beispiel einer acuten Verweltlichung des Christentums. (1889:158) Ein Wandel setzte erst um die Jahrhundertwende mit dem Aufkommen der Gottinger Religionsgeschichtlichen Schule ein, die, wie vor allem Wilhelm Bousset, eine religionsgeschichtliche Sicht der Gnosis--einfuhrten und damit ein neues Paradigma der Forschung, das streng genommen bis heute weithin herrscht. Kernstucke dieser Sicht waren: --die Gnosis ist nicht nur Thema der sogenannten Alten Kirchegeschichte, sondern auch der neutestamentlichen Exegese; --die inzwischen erweiterten Zeugnisse (Quellen) zeigen eine eigenstandige Welt, die vor oder zumindest unabhangig vom Christentum entstand; --ihre Ursprunge liegen primar im Orient, d.h. in persischen und spatbabylonischen Quellen, nicht im Griechischen; --sie ist ein Produkt des hellenistischen Synkretismus; --ihr Einfluss auf die christliche Lehre und Praxis ist trotz Abwehr und Ausscheidung als Haresie nicht unbetrachtlich gewesen. …
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