"Unsere Dichterin Mereau" als Frau der "Goethezeit" zu Liebe und Revolution
1994; Volume: 7; Issue: 1 Linguagem: Alemão
10.1353/gyr.2011.0369
ISSN1940-9087
Autores Tópico(s)Linguistic research and analysis
ResumoKATHARINA VON HAMMERSTEIN "Unsere Dichterin Mereau" als Frau der "Goethezeit" zu Liebe und Revolution i i T-IREIHEIT adelt! Und nach ihr zu ringen / ist der Kräfte jedes Edlen JLwerth," mit solch idealistischem Pathos tritt Sophie Mereau (1770-1806)1 einundzwanzigjährig zum ersten Mal an die Öffentlichkeit . Zu Ehren des ersten Jahrestags des Sturmes auf die Bastille verfa ßt sie das Gedicht "Bey Frankreichs Feier, den l4ten Junius 1790,"2 das im Jahr darauf in Schillers Thalia erscheint. Ihre Verse feiern jedoch nicht nur den Freiheitskampf im Rahmen der "großen" historischen Ereignisse, sondern formulieren zugleich ein ganz persönliches und konkretes Lebensziel der Dichterin: wie die "Edlen" ihrer Zeilen stellt sie ihre Schaffenskraft in den Dienst der Freiheit, indem sie sich fortan poetischen Entwürfen von freier, selbstbestimmter Existenz zuwendet und auch im eigenen Leben versucht, sich aus Rollenzwängen zu lösen und reale Umsetzungsmöglichkeiten für die freiheitlichen Ideale zu finden, die in der Zeit der Französischen Revolution den öffentlichen Diskurs mitbestimmen. Zusammen mit Zeitgenossinnen wie Karoline von Wolzogen, Caroline Böhmer-Schlegel-Schelling, Dorothea Veit-Schlegel, Thérèse Forster-Huber, Wilhelmine Caroline von Wobeser, Rahel LevinVarnhagen , Amalie von Imhoff, Karoline von Günderode und anderen gehört Sophie Mereau zu jenen schreibenden Frauen, die gegen Ende des 18. Jahrhunderts—zum Teil unter kraftaufwendiger Reibung an der Norm—ihre geistige Emanzipation durch aktive Teilnahme am kulturellen und gesellschaftlichen Leben beweisen. Der aufklärerische Gleichheitsgedanke und die Proklamation der Menschenrechte in Frankreich bereiten den Boden für die Anerkennung der Individualität und Kreativität der Frau im kleinen Kreis der Romantiker—und teil- Goethe Yearbook 147 weise auch der Klassiker: "Ich muß mich doch wirklich drüber wundern ," schreibt Schiller ebenso gönnerhaft herablassend wie wohlwollend , fast stolz am 30. Juni 1797 mit Bezug auf Sophie Mereau und vermutlich Caroline von Wolzogen3 an Goethe, "wie unsere Weiber jetzt, auf bloß dilettantischem Wege, eine gewiße Schreibgeschicklichkeit sich zu verschaffen wißen, die der Kunst nahe kommt." Aus Goethes Antwort vom nächsten Tag spricht eine weniger verhaltene Anerkennung : "Unsere Frauen sollen gelobt werden, wenn sie so fortfahren , durch Betrachtung und Uebung, sich auszubilden." Immer wieder ist in der Korrespondenz zwischen Jena und Weimar die Rede von "unserer Dichterin, Mereau,"5 der zunächst klassischen, dann romantischen Schriftstellerin, Ehefrau des Jenaer Rechtsgelehrten Friedrich Karl Mereau, später des Clemens Brentano,7 der literarischen "Ziehtochter" und erfolgreichen Mitarbeiterin Schillers8 und Verehrerin Goethes. Sie selbst verleiht ihrer Bewunderung für das Weimarer Vorbild in einem Gedicht "An Göthe"9 poetischen Ausdruck und liest Wilhelm Meisters Lehrjahre intensiv und "mit vielem Vergnügen,"10 wie sie in ihrem Tagebuch vermerkt, in dem die Lektüre keines anderen Buches so ausdrücklich kommentiert wird." Goethe seinerseits erkundigt sich angelegentlich nach der "Geschichte der kleinen Schönheit ,"12 und Schiller berichtet ihm bereitwillig über "unsere Freundin Mereau,"13 über deren schriftstellerisches Talent,14 deren Herzensangelegenheiten und Befreiungsversuche aus einer unbefriedigenden ersten Ehe.15 In der Tat erweisen sich "Freiheitssehnsucht und Liebesbedürfnis" als zentrale Themen in Sophie Mereaus Werken und privaten Aufzeichnungen , die—so faßt schon August Varnhagen von Ense, der Archivar des Mereau-Nachlasses, seine Leseeindrücke ein halbes Jahrhundert nach ihrem Tod zusammen—gekennzeichnet sind vom "Ringen nach Freiheit, Hinblick auf Frankreich," von der "Vergötterung und Allberechtigung der Liebe, Mißachtung der Ehe" und von "poetischer Anerkennung der Sinnlichkeit."17 Erst in den letzten Jahren jedoch beginnt man, dem Leben der von ihren Zeitgenossen18 sehr geschätzten Schriftstellerin sowie einigen Teilen ihres Werkes,19 das sich aus Romanen,20 Erzählungen, Essays, Lyrik und Übersetzungen zusammensetzt, eine erneute Beachtung zu schenken, die über das bloße Interesse an Nebenquellen der Brentano -Forschung hinausgeht.24 Dabei wird Mereaus inhaltliche Auseinandersetzung mit Formen der Freiheit und Liebe zwar benannt, doch steht eine Auswertung der Beziehung zwischen diesen Themenkreisen noch aus. Kaum untersucht wurden bislang die Fragen, wie sich das— in Mereaus Fall indirekte, doch nichtsdestoweniger einschneidende— Erlebnis der Französischen Revolution in ihren Werken niederschlägt 148 Katharina von Hammerstein und inwieweit die Ideale von Freiheit und Gleichheit auf die Darstellung der kleinsten Einheit gesellschaftlichen Lebens, die Liebesbeziehung , und überhaupt auf die Lebensmöglichkeiten von...
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