Zürcher Beiträge zur 50‐jährigen Entwicklung von Bruker
2010; Wiley; Volume: 122; Issue: 45 Linguagem: Alemão
10.1002/ange.201005067
ISSN1521-3757
Autores Tópico(s)NMR spectroscopy and applications
ResumoDie Bruker-Physik AG wurde 1960 in Karlsruhe gegründet, doch auch der Zürcher Beitrag zur Entwicklung der NMR-Instrumente in der Firma Bruker war essentiell. Den Anfängen des Unternehmens folgt dieser Zeitzeugenbericht. Die Bruker-Physik AG wurde 1960 in Karlsruhe gegründet. Doch auch der Zürcher Beitrag zur NMR-Entwicklung in der Firma Bruker war essentiell. Die NMR-Spektroskopie zieht wie zwei rote Fäden durch die 50-jährige Firmengeschichte. Den Anfängen des Zürcher roten Fadens möchte ich als “Zeitzeuge” folgen. Bruker ist heute zwar der unbestrittene World Leader in Kernresonanz-Instrumentierung, aber neben NMR wurden auch fast alle anderen Gebiete der analytischen Spektroskopie ebenso kompetent und erfolgreich bearbeitet. Die beschränkte Länge des Essays reicht leider nicht, um alle relevanten Details angemessen auszuleuchten, und so konzentriere ich mich als “Zeitzeuge” mehr auf meine persönlichen Bezüge zur Firma. 1955 hat Dr. Günther Laukien eine beeindruckende Dissertation mit dem Thema “Freie Präzessionen kernmagnetischer Momente” an der Technischen Hochschule Stuttgart abgeschlossen.1 1958 wurde sein wichtiger Übersichtsartikel “Kernmagnetische Hochfrequenzspektroskopie” im Handbuch der Physik publiziert;2 und nur zwei Jahre später, am 7. September 1960, fand der Startschuss zur Gründung der Firma Bruker Physik AG in Karlsruhe statt. Günther Laukien war dabei der Hauptinitiator.3 Das anfängliche Produktionsprogramm der Bruker-Physik AG beschränkte sich auf Laboratoriumsmagnete und Netzteile für Anwendungen in der Physik. Angesichts der Interessenlage von Günther Laukien erstaunt es kaum, dass sich die Firma ab 1963 der magnetischen Kernresonanzspektroskopie widmete, der heute wohl wichtigsten wissenschaftlichen Anwendung von Magnetfeldern.4 Schon in seiner Dissertation beschäftigte sich Günther Laukien speziell mit Hochfrequenz-Pulsmethoden zur Anregung der freien Präzession von magnetischen Kernmomenten. Dies wurde auch zum Programm für “seine” Firma Bruker-Physik AG im Hinblick auf Materialuntersuchungen in der Physik, Chemie und Materialkunde. Damit füllte das Produktionsprogramm mit dem ersten frequenzvariablen Impuls-Spektrometer B-KR322s (Abbildung 1) eine Marktlücke; und die Firma wurde schnell finanziell lebensfähig. Professor Günther Laukien und sein erstes Bruker-Impuls-NMR-Spektrometer mit variabler magnetischer Feldstärke, ein Vorläufer des Impuls-Spektrometers B-KR322s, gebaut 1963 in Karlsruhe. Die Gründung der Bruker-Physik AG 1960 ist vor dem Hintergrund des damaligen Marktführers im Bereich magnetischer Resonanzspektroskopie, der Firma Varian Associates in Palo Alto, Kalifornien, zu sehen. Varian Associates wurde zwölf Jahre früher, am 20. April 1948, im Stanford Industrial Park von Mitarbeitern der Stanford University gegründet.5–7 Dabei stand die Kommerzialisierung von zwei grundlegenden Patenten im Vordergrund: die Erfindung des Klystrons im Jahr 1937 durch Russel Varian und die (Mit)Erfindung der Kernresonanzspektroskopie durch Felix Bloch im Jahr 1946. Beide Erfindungen erfolgten an der Stanford University; und die Entdeckung der Kernresonanzspektroskopie wurde bekanntlich 1952 mit dem Nobelpreis für Physik an Edward M. Purcell und Felix Bloch geehrt. Während das Klystron als Mikrowellenverstärker direkte Anwendung in der Physik und Radartechnik fand, wurde bei Varian schon früh erkannt, dass NMR einen fast unbegrenzten Anwendungsbereich in der Chemie hat. Dies führte zur Entwicklung von Routinegeräten für die strukturanalytische Chemie (und später für die Molekularbiologie). Die erfolgreichsten Varian-Geräte, wie das HR30 (1952), HR40 (1955), HR60 (1958) und HR100 (1959) waren alles hochauflösende Flüssigkeitsspektrometer, die auf Continuous-Wave-Sweep-Methoden und Elektromagneten basierten. Der eigentliche Durchbruch in der praktischen Anwendung erfolgte mit der Einführung des legendären A-60-Spektrometers im Jahr 1961.8, 9 Es erreichte einen Bekanntheitsgrad vergleichbar mit dem Ford Modell T bei den frühen Automobilen. Das A-60 war einfach zu bedienen und erwies sich in der praktischen Routine als enorm nützlich. Anfänglich hatte die Firma Bruker-Physik dem A-60 nichts Äquivalentes an die Seite zu stellen; und ihre ersten NMR-Spektrometer fanden denn auch hauptsächlich Anwendung in physikalischen Forschungslaboratorien. Der Zugang zur Routineanwendung in der Chemie blieb Bruker vorläufig noch verschlossen. Die Erweiterung der Produktionspalette auf hochauflösende NMR-Spektroskopie in Flüssigkeiten kam von einer anderen Seite. 1952 wurde Hans Heinrich Günthard als Professor für spezielle physikalische Chemie an die ETH Zürich berufen. Er erkannte, dass die europäische chemische Forschung in den 50er Jahren im Gegensatz zur amerikanischen einen immensen Nachholbedarf in der Anwendung moderner physikalisch-chemischer, besonders spektroskopischer Analysemethoden hatte. So war damals an der ETH Zürich die physikalische Chemie bis zur Karikatur vertrocknet und begnügte sich mit klassisch-thermodynamischen Exerzitien. Dies stand in krassem Gegensatz zur florierenden organischen Chemie an der ETH um die Professoren Leopold Ruzicka und Vladimir Prelog. Beide erkannten den Missstand und unterstützten den jungen initiativen Günthard mit Wort und Tat. In der Folge baute dieser mit seinen Mitarbeitern, in Bewunderung amerikanischer Vorbilder, moderne Spektrometer in fast allen Frequenzbereichen, inklusive Infrarot, Mikrowellenspektroskopie, Elektronenspinresonanz und Kernresonanz.10 Nachdem Günthard 1959 Institutsvorsteher und Professor für Physikalische Chemie wurde als Nachfolger von Gottfried Trümpler, hat er das Laboratorium für Physikalische Chemie radikal “enttrümpelt”. Hans Heinrich Günthard, selbst ein Quereinsteiger mit Chemiediplom des Technikums Winterthur, entwickelte eine spezielle Affinität zu ungewöhnlichen Karrieren und entdeckte Hans Primas als einen kongenialen Mitarbeiter. Hans Primas kam ohne formale Bildung mit “nur” einem Chemiediplom vom Technikum Winterthur als Mitarbeiter in die Gruppe Günthard und beschäftigte sich ab 1953 mit der Theorie und Praxis von Infrarotspektren.11–14 Günthard war beeindruckt von seinen Leistungen und übertrug ihm ein noch schwierigeres Projekt: den Bau eines ganzen Kernresonanz-Spektrometers inklusive aller seiner Teile, Magnet, Elektronik-Konsole und Probenkopf. Primas brachte als Technikumschemiker keine elektronischen Vorkenntnisse mit und erlernte in Kürze die Grundlagen der Elektrotechnik bis hin zur Anwendung von modernsten Bauteilen, wie z. B. den Nuvistoren, einer Art von miniaturisierten Elektronenröhren mit Metallgehäuse. Auch die lineare Response-Theorie mit Frequenz- und Impuls-Response sowie Rückkopplungs- und Stabilitätstheorie erarbeitete sich Primas in Windeseile. Im Umkreis von Günthard galt “Learning by Doing!” und “Trial and Error!” Nichts war von vornherein unmöglich! Und in den Händen von Hans Primas schien in der Tat alles zu funktionieren. In den Jahren 1954–1958 entwickelte Hans Primas ein neuartiges NMR-Spektrometer.15–17 Die kommerziellen Varian-Spektrometer waren damals Weltspitze und dienten als Vorbilder. Kaufen wollte Günthard aus Stolz und Sparsamkeit keines von Varian. Im Gegensatz zu diesen Geräten benützte das erste Zürcher NMR-Spektrometer KR1 einen Permanentmagneten und war damit auf eine tiefe Protonenresonanzfrequenz von nur 25 MHz beschränkt (Abbildung 2). Zahlreiche Innovationen wurden gleichzeitig implementiert, wie sphärische NMR-Proben und ein leistungsfähiger Feldstabilisator.18 Am 28.4.1955 wurde das erste Ethanol-Spektrum beobachtet. Routine-Protonenresonanzspektren akzeptabler Qualität konnten ab 1957 gemessen werden.19 Die beschränkte Leistungsfähigkeit des Spektrometers mit 25 MHz Protonenresonanz, insbesondere seine langen Messzeiten bedingt durch die tiefe Frequenz, behinderten zwar den nutzbringenden Einsatz in der Chemie. Doch wurden etliche Anwendungsspektren aufgenommen.20, 21 Besonders der spätere Nobelpreisträger Prof. Vladimir Prelog interessierte sich für den Einsatz in der organischen Chemie. Entwicklung von Hochauflösungs-Kernresonanzspektrometern ausgehend von der Pionierarbeit von Hans Primas an der ETH Zürich mit dem KR-1 (25 MHz Protonenresonanzfrequenz, 1957) und dem KR-2 (75 MHz, 1961). Sie führten zu den nachkonstruierten Spektrometern KIS-1 (25 MHz) und KIS-2 (90 MHz, 1963) der Firma Trüb, Täuber Co. AG, und schlussendlich zum Bruker-Spectrospin-Spektrometer HFX90 (90 MHz), gebaut 1967. Von 1958–1962 wirkte der Autor selbst im Rahmen seiner Promotion an den elektronischen NMR-Entwicklungsarbeiten der Gruppe Primas mit.22–26 Keine Frage, dass diese “Berufslehre” bei “Meister Primas” von größter Bedeutung wurde für den Erfolg des Autors in der NMR-Instrumentierung und besonders in der methodischen Entwicklung bis hin zur Fourier-Spektroskopie und zur mehrdimensionalen Kernresonanz! Schon erstaunlich früh im Jahr 1955 fasste Günthard den mutigen Entschluss, zu versuchen, mit dem in Entstehung begriffenen NMR-Spektrometer KR1 die Schweizer Industrie zu beflügeln. So wurden 1955 Verhandlungen mit der Zürcher Firma Trüb, Täuber & Co. AG eingeleitet zum kommerziellen Nachbau des KR1. Trüb, Täuber & Co. AG war damals eine traditionelle Elektromechanik-Firma, die Anzeigeinstrumente wie Volt- und Amperemeter produzierte. Daneben betrieb sie seit 1929 auch eine Abteilung für wissenschaftliche Instrumente unter Dr. Lieni Wegmann, in welcher Elektronenmikroskope und ein Hochspannungs-Kathodenstrahloszilloskop entwickelt wurden. Eine Produktion von NM-Spektrometern schien gewagt, aber nicht unmöglich. Das nachkonstruierte Gerät27 wurde als “Eine europäische Spitzenleistung auf dem Gebiete der kernphysikalischen Technik”28 unter dem späteren Namen KIS-1 mit beachtlichem, aber nicht überwältigendem Erfolg vermarktet (Abbildung 2). Etwa zwölf bis fünfzehn KIS-1 fanden Eingang in universitäre Forschungslaboratorien in Zentraleuropa. Gleichzeitig wurde an der ETH Zürich unter der Leitung von Prof. Hans Primas die Entwicklung eines leistungsfähigeren 90-MHz-Spektrometers KR2 in Angriff genommen. Schlussendlich schaffte das Spektrometer jedoch nur eine Protonenresonanzfrequenz von 75 MHz wegen Beschränkungen des selbst gebauten Elektromagneten. Doch speziell geformte innovative Polschuhe (“Primas-Polschuhe”) erlaubten die Feldhomogenität unabhängig von der Feldstärke zu optimieren durch das Vermeiden von lokalen Sättigungseffekten.29 Eine Feldfrequenzstabilisierung wurde dafür ebenfalls entwickelt. So entstand ein modernes Prototyp-Spektrometer. Auch dieses Gerät wurde von Trüb-Täuber kopiert und als 90-MHz-Spektrometer 1963 unter dem Namen KIS-2 auf den Markt gebracht (Abbildung 2).30 Nur wenige Geräte dieser Art fanden den Weg in die praktische Anwendung, z. B. zum SHELL-Basic Research Institute in Birlinghaven.31 In der Zwischenzeit wuchsen die finanziellen Probleme der Firma Trüb-Täuber auch in Bereichen außerhalb der Kernresonanzabteilung, und 1965 wurden die Tore der Firma geschlossen. In dieser Situation bekundete Günther Laukien ein Interesse zur Übernahme der Kernresonanzabteilung. Diese erfolgte am 24. Juni 1965; und damit wurde die Firma Spectrospin gegründet.32 Wie immer bei Übernahmen sind neben aussichtsreichen Produkten – hier also vor allem dem Prototyp-Spektrometer, KIS-2, – hochbewährte Mitarbeiter ausschlaggebend, speziell Dr. Werner Tschopp und (Dr.) Tony Keller. Beide haben die junge Firma Spectrospin nachhaltig geprägt. Letzterer wurde dafür in der Zwischenzeit mit drei Ehrendoktortiteln geehrt (TU Berlin, University of Queensland und Universität Florenz). Ein erster Meilenstein wurde 1967 bei der jungen Firma gesetzt durch die erstmalige vollständige Transistorisierung eines NMR-Spektrometers, des HXF-9033 (Abbildung 2). Die Ergänzung der Produktpalette mit hochauflösender NMR war für den späteren Erfolg von Bruker entscheidend. Zwei Jahre nach der Gründung der Spectrospin AG lag Bruker auf dem NMR-Weltmarkt im Vergleich zu Varian noch immer hoffnungslos zurück. So stammten 1967 von den 131 installierten NMR-Spektrometern in Deutschland 122 von Varian, 6 von Bruker und 3 von Trüb-Täuber.34 Es waren somit enorme Anstrengungen notwendig, um den Rückstand in der Zahl von Geräteinstallationen aufzuholen. Dazu war vor allem innovative Technologie mehr als raffinierte Verkaufstricks gefragt. Der Autor hat die Gründung von Spectrospin als Abteilung von Bruker-Physik Co. AG nur aus der Ferne miterlebt. Er war damals von 1963 bis 1968 bei der Konkurrenzfirma Varian Associates in Palo Alto tätig. Dies war eigentlich sein obligates “Postdoktorat” in den USA in der Form einer festen industriellen Anstellung. Es war sein persönlicher Wunsch, der Elfenbeinturm-Hochschulatmosphäre zu entrinnen, eine industriell und gesellschaftlich relevante Funktion auszuüben und nie mehr an eine Universität zurückzukehren. Dies sollte der Stützung seines mangelhaften Selbstvertrauens als “nutzloser Akademiker” dienen. Die im Rückblick hoch relevante Forschungsarbeit bei Varian Associates erfüllte dieses Ziel bestens. Immerhin führte sie zum Nobelpreis für Chemie im Jahr 1991. Aber auch für die spätere Entwicklung von Bruker-Spectrospin war die damalige “Erfindung” bei der Konkurrenz in Palo Alto von großer Bedeutung. Die Idee zur Empfindlichkeitsverbesserung von NMR durch parallele Daten-Akquisition stammte vom genialen Chef des Autors bei Varian, Weston A. Anderson. Die erste Realisierung mittels Pulsanregung und Datenauswertung durch Fourier-Transformation wurde vom Autor implementiert. Die daraus resultierende NMR-Fourier-Spektroskopie wurde patentiert und publiziert.35–37 Sie hat später die praktische Kernresonanz revolutioniert. Doch die damalige Firmenleitung von Varian erkannte die Bedeutung nicht und verpasste eine einmalige kommerzielle Chance, denn die ursprünglichen Firmengründer mit wissenschaftlichem Background waren in der Zwischenzeit durch gewinnorientierte, aber technisch unversierte MBAs und Juristen ersetzt worden. Hier bahnte sich schon latent der Niedergang des damaligen Marktleaders, Varian Associates, an. Erstaunlicherweise erfolgte die erste kommerzielle Realisierung des Fourier-Konzeptes bei Bruker und wurde 1969 durch einen initiativen und innovativen Tony Keller an der Pacific Conference on Chemistry and Spectroscopy, Oktober 1969, Anaheim, Kalifornien, mit einer verblüffenden Anwendung auf 13C-Resonanz demonstriert. Sie führte 1972 zum “Nur”-Fourier-NMR-Spektrometer WH90 (die Bezeichnung WH=Workhorse ist vielbedeutend!).38 Ein Sweep-Zubehör wurde zwar geplant und angeboten, aber nie produziert. Dies unterstreicht den durchschlagenden Erfolg der Fourier-Puls-Methode in der Kernresonanz. Die Rückkehr des Autors in die Schweiz und an die ETH Zürich im Jahr 1968 war unerfreulich: Instrumentelle und personelle Mittel wurden ihm am Laboratorium für Physikalische Chemie vorenthalten nach dem Motto “der Prophet gilt nichts im eigenen Land”; und nach einem Jahr erlitt er einen Nervenzusammenbruch, von dem er sich nur sehr langsam erholte. Noch immer wirkte er neben seiner Lehrtätigkeit als Berater für die Firma Varian. In der Forschung beschäftigte er sich mit weitergehenden Methoden der Fourier-Spektroskopie, die jeweils in Palo Alto bei Varian patentiert wurden. 1971 erfolgte durch Jean Jeener an einer AMPERE Summer School in Jugoslawien die Inspiration zur Entwicklung der zweidimensionalen NMR-Spektroskopie. Dies gab der Forschungsgruppe neuen Schwung und führte auch zur Konzeption der medizinischen Fourier-Imaging-Methode. Ein später sehr einträgliches Patent39 dazu wurde für ein Trinkgeld von 200 US$ ebenfalls Varian überlassen. Doch mit der Zeit wurde die Distanz nach Kalifornien für eine effiziente Zusammenarbeit zu groß, und der Autor begrüßte die Einladung von Günther Laukien, die Beratertätigkeit von Palo Alto nach Fällanden zu Bruker-Spectrospin zu verlagern. Dies war auch eher im Einklang mit seinem patriotischen Verantwortungsbewusstsein. Eine intensive Zusammenarbeit mit Bruker-Spectrospin bestand vor allem in der Entwicklung der mehrdimensionalen NMR-Spektroskopie.40 Hier hatte Bruker wieder einmal die Nase vorn, denn diese wurde neben der Hochfeld-Spektroskopie von größter Bedeutung für die Strukturbestimmung von biologischen Makromolekülen in Lösung. Die frühzeitige, intensive Zusammenarbeit mit den Forschungsgruppen von R. R. Ernst41, 42 (Abbildung 3) und K. Wüthrich43, 44 an der ETH Zürich hat der Firma entscheidende Vorteile gebracht. Zahlreiche Patente entstammen dieser Zusammenarbeit (z. B. Lit. 45 und 46). Auch Varian hatte damals eine ähnlich befruchtende Zusammenarbeit mit der Gruppe von Ray Freeman in Cambridge. Doch die zwei Nobelpreise in Chemie von 1991 und 2002 haben indirekt Bruker einen ganz speziellen Glanz aufgesetzt. “2D-J-Resolved Spectroscopy”. Das Titelbild des Bruker Reports 2/1979 illustriert ein darin enthaltenes Paper von Dr. Enrico Bartholdi, Mitarbeiter von Bruker-Spectrospin und ehemaliger Doktorand von R. R. Ernst. Ein 2D-J-aufgelöstes Protonenresonanzspektrum des zyklischen Peptids AW 27-400 (MW 1201) wird gezeigt mit den Methylgruppensignalen im Bereich von 0.8–1.1 ppm aufgelöst entlang der zweiten Dimension mit J-Aufspaltungen im Bereich ±10 Hz.40 Die höchst erfolgreiche Entwicklung von Supraleiter-Hochfeld-Spektrometern wurde zu einem weiteren Meilenstein von Bruker47, 48 mit dem weltweit ersten 1000-MHz-Protonenresonanz-Spektrometer.49 Varian war zwar auf diesem Gebiet Pionier, hat dann aber unglücklicherweise die Entwicklung von Supraleitermagneten in den 70er Jahren als irrelevant aufgegeben.50 Supraleitung wurden auch von großer Relevanz bei der Einführung von Kryoproben zur Erhöhung der Empfindlichkeit von bis zu einem Faktor 10.51-54 Angesichts dieser Leistungen und Erfolge ist es nicht erstaunlich, dass Bruker heute die NMR-Konkurrenz bezüglich Marktanteil weit hinter sich gelassen hat. Genaue Zahlen sind schwer zu eruieren, doch wird davon gesprochen, dass der heutige weltweite Marktanteil in der Kernresonanzspektroskopie von Bruker bei etwa 80 % liegt und Bruker somit klar zum Marktführer geworden ist. Erstaunlich, wenn man mit dem Jahr 1967 vergleicht, wo sogar im heimatlichen Deutschland der Marktanteil von Bruker inklusive Trüb-Täuber bei höchstens 7 % lag,34 und weltweit noch wesentlich tiefer! NMR-Spektroskopie dominierte die Pionierphase der Firma und ist noch heute das Flaggschiff der Bruker Corporation. Aber die heutigen Aktivitäten gehen weit über NMR hinaus: Kernspintomographie (MRI)55 ist sehr wichtig geworden. Elektronenspinresonanz (EPR) wurde schon früh bearbeitet,56, 57 ähnlich wie auch bei Varian; doch letztere Firma ist 1975 aus schwer verständlichen Gründen 1975 komplett aus EPR ausgestiegen.58 Bruker Daltonics umfasst heute eine breite Klasse von Ionenstrahl-Analysemethoden,59 und Bruker X-Ray Technology stellt unentbehrliche Röntgenstahl-Analyseverfahren bereit.60 Für den “Zeitzeugen” wurde Bruker Optics61 in letzter Zeit von besonderer Bedeutung. Wohl als erster pensionierter Spektroskopiker verfügt er heute in seinem Privathaus über ein modernes SENTERRA-Raman-Spektrometer von Bruker Optics62 für seine “Freizeit-Passion”. Es gelingt ihm damit, höchst aufschlussreiche Pigmentanalysen in tibetischen und zentralasiatischen Rollbildern zerstörungsfrei durchzuführen. So gewinnt er wertvolle Information über Alter, Provenienz und Maltechnik in tibetischem Kulturgut.63, 64 Damit schließt sich für den “Zeitzeugen” der Kreis mit einer recht unerwarteten Anwendung eines Bruker-Spektrometers, die seine kulturhistorischen und spektroskopischen Interessen in idealer Weise verbindet (Abbildung 4). Bruker-Optik SENTERRA Raman-Mikroskop in einer optimierten Konfiguration und Umgebung, ausgelegt für die zerstörungsfreie Identifizierung von Pigmenten in großflächigen tibetischen Rollbildern im Privat-Laboratorium des Autors in Winterthur. Der Bildschirm zeigt das Raman-Spektrum von Orpiment (As4S6). Und was ist die Moral der Erfolgsgeschichte von Bruker Corporation? Bruker war während 50 Jahren in einzigartiger Weise im Hightech-Spitzenbereich tätig. Wenige andere Firmen machen dies Bruker nach. Was immer Bruker erreichte, erforderte neuartige Technologie und war jeweils einige Jahre früher noch unmöglich. Für Hochschulen sind solche Firmen ideale Partner; sie sind höchst anspruchsvoll, anregend und für jeden kreativen Beitrag dankbar. Diese Art von Wechselwirkung kann in der Tat initiative Unternehmer und innovative Forscher mit Durchhaltewillen zuversichtlich stimmen. Schlussendlich sind es Mut und kreative Leistung, die ausschlaggebend sind. Das Beispiel Varian zeigt auch, dass anfänglicher Erfolg gerne zu Überheblichkeit und zur Unterschätzung von motivierten Konkurrenten führt. Eine weitere Lehre, die gezogen werden kann, betrifft die Firmenleitung. Man hüte sich vor Firmen, die durch fachfremde Juristen und MBA geleitet werden. Technischer Sachverstand gepaart mit Markt-Tuchfühlung sind noch immer essentiell, um Fehlentscheide zu vermeiden. Bruker ist in der Vergangenheit solchen Tücken durch weise Personalpolitik und langfristige Kontinuität entgangen. Die Firma produziert seit 50 Jahren materiellen und innovativen Mehrwert. Daraus lassen sich auch Lehren für Investoren ableiten: Noch immer ist es das grundsolide technische Wissen eines CEO, gepaart mit Marktkenntnis, welche die beste Gewähr gegen grobe Fehlentscheide bieten. Mit initiativen Firmen, wie Bruker Corporation, ist der öfters vorausgesagte Niedergang von Europa nicht unmittelbar bevorstehend. Auch wenn Bruker Corporation neuerdings amerikanischem Recht untersteht, so ist der Geist in der Firma noch immer solide “europäisch”.
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