Auferstanden aus Ruinen.: Die diskursive Babylonisierung Berlins im frühen 20. Jahrhundert

2011; Peter Lang; Volume: 21; Issue: 3 Linguagem: Alemão

10.3726/92134_462

ISSN

2235-1272

Autores

Andrea Polaschegg,

Resumo

Babylon ist ein Mythos und gar nicht wahr. Diese schlichte Einsicht zahlt spatestens seit der in jeder Hinsicht programmatischen Doppelausstellung Babylon. Mythos und Wahrheit,1 die im Sommer 2008 im Berliner Pergamonmuseum einem denkbar brei ten Publikum prasentiert wurde, zum bundesrepublikanischen Allgemeinwissen. Alle babylonischen Turme und Huren, alle entsprechenden Tyrannen, Exzesse und Apo kalypsen existieren — so lehren Ausstellungskonzeption und -katalog — einzig in unse ren Kopfen und sind von hier aus wirkmachtig geworden, wahrend das historische Babylon im wahrsten Sinne des Wortes eine ganz andere Baustelle ist. Wenn nun dieselbe Ausstellung auch daran erinnert hat, dass bereits seit gut einhun dert Jahren Diskursgeschichte Babylon und Berlin immer wieder in eine mehr als nur al literative Beziehung zueinander gesetzt worden sind,2 dann lasst sich unschwer erraten, dass die Kopplung der beiden Stadte ebenfalls der Sphare des Mythos angehort — des „Mythos Metropole3, um genau zu sein, in den sich Berlin seit geraumer Zeit so emsig einschreibt wie keine andere Stadt Europas, von seinen Metropolen ganz zu schweigen.4 Nun ist fur die heutige Sinnfalligkeit der berlin-babylonischen Assoziation keine Epoche so konstitutiv wie diejenige, in der diese Verbindung zum ersten Mal herge stellt worden ist und die auch den entscheidenden historischen Bezugspunkt fur Ber lins eigenen Mythos als Metropole bildet: die blattgoldenen 20er Jahre.5 Erst im Laufe der ersten beiden Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts gewann die Stadt schlieslich jene sprachliche, soziale und ethnische Vielfalt, jene kulturelle Komplexitat und architek tonische Grose, jenes Mas an Kommerzialisierung, Kriminalitat und institutionalisier tem Vergnugen, die fur jedwede konzeptionelle Analogisierung urbaner Cluster mit dem antiken Babylon die notwendigen Bedingungen darstellen. Was ich in diesem Beitrag verfolgen will, ist also die diskursive Babyionisierung Berlins im fruhen 20. Jahrhundert vor dem Hintergrund der Selbstinszenierung der Stadt als Metropole, einer Inszenierung, die auch oder gerade zu Beginn des 21. Jahrhunderts

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