<i>Zerreissproben/Double Bind: Familie und Geschlecht in der deutschen Literatur des 18. und des 19. Jahrhunders</i> (review)

2009; Volume: 16; Issue: 1 Linguagem: Alemão

10.1353/gyr.0.0003

ISSN

1940-9087

Autores

Ingrid Broszeit-Rieger,

Tópico(s)

German Literature and Culture Studies

Resumo

Reviewed by: Zerreissproben/Double Bind: Familie und Geschlecht in der deutschen Literatur des 18. und des 19. Jahrhunders Ingrid Broszeit-Rieger Christine Kanz, Zerreissproben/Double Bind: Familie und Geschlecht in der deutschen Literatur des 18. und des 19. Jahrhunders. Bern/ Wettingen: eFeF-Verlag, 2007. 274 pp. Dieser Band entstand in Nachfolge einer Konferenz, deren theoretischen Ausgangspunkt die kontroverse These bildete, “dass die Durchsetzung der modernen ‘bürgerlichen’ Kernfamilie im Verlauf des 18. Jahrhunderts eine entscheidende Voraussetzung für die Konstruktion und die Durchsetzung polarer Geschlechtertypen gewesen ist” (Kanz 10). Daher konzentrieren sich die Beiträge darauf, “Texte selbst nach den in ihnen inszenierten Verknüpfungen familiärer Rollen mit geschlechtsspezifischen Charaktereigenschaften zu befragen” (Kanz 10) und auch die von Rebekka Habermas als “revisionsbedürftig” bezeichnete These von der “‘Emotionalisierung des familiären Lebens’” in der Kleinfamilie (Kanz 11) zu überprüfen. Die elf Essays dieses Bandes umfassen nicht nur transnationale Perspektiven von Autoren aus der Schweiz, Deutschland und den USA, sondern behandeln fiktionale wie nicht fiktionale Texte und bringen damit historische, soziologische, linguistische und literatur-ästhetische Diskurse unter einen Hut. Wie der Titel besagt, durchleben Familien oder Familienmitglieder “Zerreißproben” verschiedener Art, wie zum Beispiel die zwischen “Mutterschaft und Bildung” (Kanz 14), jedoch zusammen entlarven sie die Vorstellung von der harmonischen, “Liebe, Geborgenheit und Vertrauen” (9) spendenden Familie als ein kulturell konstruiertes Wunschbild. Zu der Organization dieser Sammlung erklärt Christine Kanz: “Die hier versammelten Texte wurden nach verschiedenen Arten bzw. familiären Schauplätzen von Zerreißproben angeordnet, wobei jeder Unter-Kategorie dieser Grundfiguration ein früheres Exemplum aus dem 18. Jahrhundert und ein späteres, möglichst aus dem 19. Jahrhundert, zugewiesen wurde. Diese Einteilung hat den Vorteil, dass sowohl die Historizität bestimmter literarischer Familienstrukturen, zugleich aber auch die Kontinuität gewisser Muster angedeutet wird” (Kanz 15). Unter dem Oberthema “Familie als Kriegsschauplatz” erscheinen die Aufsätze von Linda Simonis, “Familien-Intrigen. Zur Störung intimer Kommunikationsverhältnisse in Kleists Die Familie Schroffenstein und Mozarts Mitridate,” und Annette Simonis, “Familienkonflikte und ‘Familientragödien’ in den historischen Novellen Conrad Ferdinand Meyers: Die Hochzeit des Mönchs und Gustav Adolfs Page” und Gesine [End Page 262] Lenore Schiewer “Die Perspektive der ‘kleinen Emmi.’ Sprachliche Bedingungen der Darstellung von sexueller Gewalt.” Neben dem Paradigma Krieg verbindet diese Beiträge auch der Ansatz, die Texte nach dem Zeichencharakter des sprachlichen Wortes zu beleuchten. Linda Simonis analysiert die Familienkrisen in Kleist und Mozart als Kommunikationskrisen, die durch Polarisierung der Geschlechterrollen so wie den patriarchalisch organisierten “Diskurs der Macht und Herrschaft” (29) entstehen. Annette Simonis konzentriert sich in ihrer Interpretation der “Unlösbarkeit der angedeuteten inner-und interfamiliären Konflikte” (56) in Meyers Novellen auf die Ironie der“symbolischen Darstellungstechniken” (61) und zeigt wie Meyer Geschlecht als kulturbedingt und Familie als “hemmend” oder sogar “destruktiv” (60) für das Individuum darstellt. Schiewer geht es ebenfalls um den Niederschlag von familiärem Trauma, und zwar Vergewaltigung, in der protokollierten Berichterstattung von Opfern sowie in der “Erzählstudie” (65) über Emmi. Schiewer formuliert mit Hilfe der Diskursanalyse sprachpsychologische Kategorien, die die Erfahrung von Gewalt prägen und verifizieren sollen. “Zwischen Arbeit und familiärem (Un-)Glück” kontrastiert Daniel Wilsons “‘Ein Glied der liebenswürdigen Familie auszumachen’: Labor, Family, and Werther’s Search for Nature” mit Birgit A. Jensens “Laborious Reproduction: Experiences of Family and Gender in Working-Class Autobiographies of the Late Nineteenth Century.” Beide Artikel zeigen die Disfunktion des Individuums in der Familie als direkte Folge von gesellschaftlich bedingten persönlichen Einschränkungen. Wilson macht plausibel, inwiefern Werthers fatale Flucht zu Lotte und einer utopischen Familienidylle darauf beruht, dass sich sein politisch-soziales Engagement in der absolutistischen Bürokratie, die jegliches Einbringen von individuellem Idealismus ausklammert, nicht umsetzen lässt. Wilson entwickelt seine Argumentation aus dem Diskurs über die Verschiebung der Bedeutung von Arbeit unter den Intellektuellen des 18. Jahrhunderts. Dagegen beschäftigt sich Jensens Beitrag mit einer Reihe Autobiographien von Arbeiterfrauen des 19. Jahrhunderts, die die inhumanitären und familienfeindlichen Lebensverhältnisse dieser Frauen wegen ihrer Überbeanspruchung durch Arbeitgeber, Kinder und Ehemann dokumentieren. “Sensibilität versus Familie—und andere Geschlechter-Diskrepanzen” fasst Waltraut Maierhofers “Starke Schwestern: Benedikte Nauberts Ahnfrauen” und Yahya Elsaghes “Die kleinen Herren Friedemänner. Familie und Geschlecht in Thomas...

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