Prolegomena zur Konzeptionalisierung unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf
2013; Wiley; Volume: 68; Issue: 4 Linguagem: Alemão
10.1111/oli.12008
ISSN1600-0730
Autores ResumoVorliegender Beitrag untersucht Voraussetzungen, Formen und Funktionen unzuverlässigen Erzählens im Werk Hermann Hesses mit Schwerpunkt auf dem Steppenwolf . Wegen seiner komplizierten mise en abyme‐ Konstruktion – in der Theorienbildung eine bisher stiefmütterlich behandelte Form unzuverlässigen Erzählens – bietet der Roman ein interessantes Beispiel für narrative Unzuverlässigkeit. Unzuverlässiges Erzählen lässt sich im Steppenwolf unter anderem anhand der doppelten Botschaft der Ironie erklären. Diese äußert sich v.a. im „Traktat vom Steppenwolf “ durch die Ironisierung traditioneller Erzählerwartungen: Was der Erzähler in der traditionellen Form des Traktats erwartet, wird durch paratextuelle Signale ironisch verworfen. Schon Hallers wertende Beschreibung des Traktats als ein „dünnes, schlecht, auf schlechtem Papier gedrucktes Jahrmarktsbüchlein“ die sich „nur an Verrückte“ wendet, kündigt Unzuverlässigkeit an. Eine andere prägnante Textstelle im Hinblick auf unzuverlässiges Erzählen ist die „Hochjagd auf Automobile“, an welcher der ehemalige Pazifist Haller teilnimmt. Als eine typisch unzuverlässige Erzählinstanz gilt hier der zwanghafte oder verrückte Monologist („mad monologist“), mit welchem Haller viele Merkmale teilt. Besonders die Ich‐Fixierung des Protagonisten ist ein Kriterium, das auf zahlreiche „mad monologists“ wie auch auf Haller zutrifft. Im Gegensatz zur Neigung der Moderne zum Tendenzlos‐Nützlichen und Technisch‐Ökonomischen arbeitet Hesse im Steppenwolf sowie später in der Morgenlandfahrt mit mimetisch unentscheidbarem Erzählen, mit Widersprüchen hinsichtlich dessen, was in der erzählten Welt als wahr anzunehmen ist. Diese Form unzuverlässigen Erzählens gipfelt im Magischen Theater, in welchem sich die erzählte Welt in einer Serie alternativer Versionen auflöst. Unzuverlässiges Erzählen, laut Tom Kindt eng mit der literarischen Moderne verbunden, erweist sich in vorliegendem Beitrag als ein wichtiges Stilmittel im Spätwerk Hesses.
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