Subjektiver sozialer Status. MacArthur-Skalen zur Erfassung des wahrgenommenen sozialen Status im sozialen Umfeld (SSS-U) und in Deutschland (SSS-D)
2014; Karger Publishers; Volume: 25; Issue: 3 Linguagem: Alemão
10.1159/000371558
ISSN1423-0402
AutoresFrank Euteneuer, Philipp Süssenbach, Sarina J. Schäfer, Winfried Rief,
Tópico(s)Mental Health Treatment and Access
ResumoDie deutschsprachigen Versionen der MacArthur-Skala zum subjektiven sozialen Status (SSS) im sozialen Umfeld (SSS-U) und in Deutschland (SSS-D) erfassen den wahrgenommen sozialen Status im Vergleich zu Personen des sozialen Umfelds (proximale Referenzgruppe) und der deutschen Bevölkerung (distale Referenzgruppe). Der SSS ist von großer Bedeutung für die psychische Gesundheit [Scott et al., 2014] und ist potenziell von besserem prädiktivem Wert für verschiedenste Gesundheitsmaße als traditionelle objektive Statusmaße (z.B. Einkommen, Bildung, Beschäftigung) [Adler et al., 2008; Quon und McGrath, 2014; Singh-Manoux et al., 2005]. Die Erfassung von SSS wird daher in Ergänzung zu traditionellen objektiven Indikatoren für sozialen Status empfohlen, wenn die Bedeutung von sozialer Ungleichheit Berücksichtigung finden soll, wie etwa in der Forschung zu (psychischer) Gesundheit [Euteneuer, 2014].In der letzten Dekade gewann, insbesondere im englischsprachigen Raum, der SSS in der verhaltensmedizinischen und gesundheitspsychologischen Forschung zunehmend an Bedeutung. Bisherige Forschungsarbeiten zeigen, dass ein niedriger SSS mit einer Vielzahl von Gesundheitsindikatoren assoziiert ist wie beispielsweise niedrigerer selbsteingeschätzter Gesundheit, Depressivität, psychischen Erkrankungen, schlechterer kardiovaskulärer Gesundheit, Diabetes und erhöhter Mortalität [Kopp et al., 2004; Miyakawa et al., 2012; Quon und McGrath, 2014; Euteneuer et al., 2012; Singh-Manoux et al., 2003; 2005]. Niedriger SSS hängt in Ländern mit höherem Lohn stärker mit psychischen Erkrankungen zusammen als in Ländern mit niedrigerem Lohn [Scott et al., 2014]. Eine Vielzahl der Studien berichtet zudem, dass der SSS stärker mit Gesundheitsindikatoren assoziiert ist als der objektive soziale Status (OSS) in Form von Einkommen, Bildung oder Beschäftigungsstatus. Die größeren Effekte des SSS werden durch das Einfließen zusätzlicher statusrelevanter Informationen in das subjektive Maß erklärt (z.B. Zukunftsperspektiven, relative Position in der Referenzgruppe) [Euteneuer, 2014; Singh-Manoux et al., 2003].Zur Erfassung des SSS wurde überwiegend die MacArthur-Skala eingesetzt [Adler et al., 2000; Cohen, 1999]. Der SSS bezieht sich hierbei auf die selbsteingeschätzte soziale Position im Vergleich zu verschiedenen Referenzgruppen. Die häufigste Version dieser Skala erfasst den SSS bezogen auf die nationale Bevölkerung, d.h. eine distale Referenzgruppe [Adler et al., 2000]. Die Person wird hierbei instruiert, ihren sozialen Status im Vergleich zu Menschen in der Allgemeinbevölkerung hinsichtlich der sozioökonomischen Faktoren Einkommen, Ausbildung und Beschäftigung auf einer Skala zu markieren, die in Form einer Leiter dargestellt ist (www.karger.com/ver_skalen).Neben der nationalen SSS-Skala wurden weitere Versionen der MacArthur-Skala eingeführt, die den sozialen Status in Bezug zum proximalen sozialen Umfeld erfragen. Referenzgruppenbezeichnungen sind hierbei «community», «school» oder «neighborhood» [Camelo et al., 2014; Cohen, 1999; Goodman et al., 2001]. Im Unterschied zur nationalen SSS-Skala wird hierbei ganz allgemein der «soziale Stand» erfragt, ohne explizit auf sozioökonomische Faktoren hinzuweisen. Somit liegt der Mehrwert der SSS-Skalen zum proximalen Umfeld darin, dass eine breitere Berücksichtigung statusrelevanter Informationen, sowie eine Flexibilität hinsichtlich der Wahl der bedeutungsvollsten Referenzgruppen ermöglicht wird [Adler und Stewart, 2007]. Einige Studien weisen darauf hin, dass der SSS im proximalen Umfeld stärker mit psychischem Wohlbefinden und Gesundheitsfaktoren assoziiert ist als der abstraktere nationale SSS [Cundiff et al., 2013; Euteneuer et al., 2012; Ghaed und Gallo, 2007].Im deutschsprachigen Raum wurde der nationale SSS in einigen wenigen Arbeiten erhoben [Hegar et al., 2012; Hoebel et al., 2013]. Dahingegen fehlen zur Erfassung des SSS im proximalen Umfeld bisher geeignete deutschsprachige Instrumente. In der vorliegenden Arbeit wird daher eine deutschsprachige Version der MacArthur-Skala zur Erfassung des SSS im sozialen Umfeld (SSS-U) eingeführt und eine deutschsprachige Version der Skala zum SSS in der deutschen Bevölkerung vorgestellt (SSS-D). Es wird die Konstruktvalidität der SSS-Skalen untersucht [vgl. Cundiff et al., 2013] und zudem eine inhaltliche Analyse der Referenzgruppen für die SSS-U berichtet.Die Ergebnisse basieren auf einer Onlineerhebung (Februar bis Mai 2012), die über soziale Netzwerke, lokale Tageszeitschriften, universitäre Verteiler für ehemalige StudienteilnehmerInnen und Vereinsverzeichnisse beworben wurde. Für die vorliegenden Analysen wurden 524 Personen im erwerbsfähigen Alter berücksichtigt (18-65 Jahre, Mittelwert (M) = 39,42; Standardabweichung (SD) = 12,17; Frauen: n = 360; Männer: n = 161), von denen 68% erwerbstätig, 13% in Ausbildung/Studium, 10% arbeitssuchend, 6% berentet/pensioniert und 3% anderweitig beschäftigt waren (z.B. Haushalt, Elternzeit, etc.).Die Erfassung des SSS im Hinblick auf die Referenzgruppe Deutschland ist an die Skala zur Erfassung des SSS in den USA angelehnt [Adler et al., 2000]. Den Probanden wurde die Abbildung einer zehnstufigen Leiter vorgelegt, auf der sie sich hinsichtlich ihrer finanziellen Situation, ihrer Bildung und ihres Beschäftigungsstatus mit der deutschen Bevölkerung vergleichen und entsprechend ihres wahrgenommenen Status platzieren sollten. Zur Erfassung des SSS im proximalen Umfeld wird im englischsprachigen Raum mehrheitlich der Terminus «community» verwendet [Adler und Stewart, 2007]. Aufgrund einer fehlenden semantischen Entsprechung im Deutschen wurde für die deutschsprachige Version der verwandte Terminus «soziales Umfeld» gewählt. Mittels eines offenen Antwortformats mit der Möglichkeit zu Mehrfachnennungen («Wer oder was ist für Sie soziales Umfeld») wurden zusätzlich nach Vorlage der Skala die herangezogenen Referenzgruppen erfasst. Untersucht wurde die konvergente Validität der SSS-Skalen (SSS-D: M = 7,01, SD = 1,69 und SSS-U: M = 6,49, SD = 1,74) und die diskriminante Validität der beiden Skalen in Bezug auf Depressivität, die psychopathologische Gesamtbelastung und Indikatoren für den OSS [vgl. Cundiff et al., 2013]. Der SSS sollte als distinktes Konstrukt zum einen vom OSS abgrenzbar sein [Cundiff et al., 2013]. Zum anderen ist auch die diskriminante Validität in Hinblick auf psychopathologische Maße (insbesondere Depressivität) von Bedeutung, da Letztere als theoretische Mediatoren für Zusammenhänge zwischen SSS und anderen Gesundheitsfaktoren von SSS-Maßen abgrenzbar sein sollten [Adler et al., 2008; Cundiff et al., 2013; Kraus et al., 2013]. Der OSS wurde in Anlehnung an Winkler [Winkler und Stolzenberg, 2009] über Indices für Bildung (7-stufig; M = 4,80, SD = 1,88) und die berufliche Stellung (7-stufig; M = 3,51, SD = 2,04) sowie eine Angabe zum persönlichen Nettoeinkommen in EUR erfasst (7-stufig: 1 = <1250; 2 = 1250-1750; 3 = 1750-2250; 4 = 2250-3000; 5 = 3000-4000; 6 = 4000-5000; 7 = >5000; M = 2,26, SD = 1,50). Depressivität (M = 11,24, SD = 8,73) wurde mit der Kurzversion der Allgemeinen Depressionsskala (ADS-K) [Hautzinger und Bailer, 1993] und die psychologische Gesamtbelastung durch den globalen Schwereindex (GSI: M = 0,76, SD = 0,51) der Symptom-Checkliste-27 [Hardt, 2008] operationalisiert. Aufgrund der Überlappung mit der ADS-K wurden für die Berechnung des GSI keine Items zur depressiven Symptomatik berücksichtigt. Extreme multivariater Ausreißer (n = 3) wurden mittels Mahalanobis-Distanz (Chi-Quadrat-Wert mit p < 0,001) unter Berücksichtigung aller Studienvariablen ausgeschlossen. Die Ergebnisse der konvergenten und diskriminanten Korrelationsanalysen (Pearson-Korrelation mit 1000-fachem Bootstrapping nach der «Bias corrected and accelerated»-Methode) sind für die Gesamtstichprobe sowie getrennt nach Geschlechtern in Tabelle 1 dargestellt. Hypothesenkonform fielen die Korrelationen unter den SSS-Skalen numerisch größer aus als zwischen den SSS-Skalen und dem OSS bzw. zwischen den SSS-Skalen und den psychometrischen Variablen. Z-Tests der Differenzen der Korrelationskoeffizienten [Steiger, 1980] ergaben, dass die SSS-Skalen in der Gesamtstichprobe signifikant stärker miteinander korrelierten als mit Indikatoren für den OSS (Z (518) ≥4,60, p < 0,001) und den psychometrischen Variablen (Z (518) ≥4,01, p < 0,001). Nach Geschlechtern getrennte Analysen ergaben, dass die SSS-Skalen bei Frauen signifikant stärker miteinander assoziiert waren als mit Indikatoren für den OSS (Z (357) ≥3,57, p < 0,001) und psychometrischen Variablen (Z (357) ≥3,25, p ≤ 0,001). Bei Männern waren die SSS-Skalen ebenfalls signifikant stärker miteinander korreliert als mit Indikatoren für den OSS (Z (158) ≥2,71, p < 0,01) und den psychometrischen Variablen (Z (158) ≥2,75, p < 0,01), wobei sich eine Einschränkung für die SSS-U-Skala ergab: Die Korrelation mit Depressivität war nur tendenziell kleiner als die Korrelation mit SSS-D (Z (158) = 1,91, p = 0,056). Hinsichtlich der allgemeinen Zusammenhangsmuster zeigte sich zudem, dass der SSS in der Regel stärker mit psychopathologischen Maßen korreliert war als der OSS, was mit einer großen Anzahl bisheriger Studien konsistent ist und den Mehrwert dieses Konstrukts gegenüber klassischen OSS-Indikatoren unterstreicht [Adler und Stewart, 2007].Die Referenzgruppenanalyse der SSS-U-Skala zeigte, dass die größten Anteile auf folgende Referenzgruppenkategorien fielen, die augenscheinlich das proximale soziale Umfeld abbilden: 74,2% der TeilnehmerInnen nannten FreundInnen als Referenzgruppe (Frauen: 74,7%, Männer: 73,1%), 65,3% das familiäre Umfeld (Frauen: 66,0%, Männer: 55,6%), 55,4% das Arbeitsumfeld bzw. Kollegen (Frauen: 53,6%, Männer: 52,5%), 21,8% Personen in der Nachbarschaft (Frauen: 23,9%, Männer: 19,1%) und 12,7% Personen aus dem Bereich Hobby/Freizeit (Frauen: 12,1%, Männer: 13,6%). Bei den berichteten Skalen handelt es sich um einfach handhabbare Instrumente zur Erfassung des SSS im Vergleich zu proximalen und distalen Referenzgruppen, d.h. zu Personen im sozialen Umfeld (SSS-U) und der Bevölkerung (SSS-D). Die hier aufgeführten konvergenten und diskriminanten Korrelationsanalysen sind konsistent mit vorherigen Befunden im englischsprachigen Kontext [Cundiff et al., 2013] und stützen grundsätzlich das Konstrukt des SSS. Bei der Anwendung beider Skalen ist zu beachten, dass die SSS-U-Skala vor der SSS-D-Skala angewandt wird: Eine vorgezogene SSS-D-Erfassung könnte den Vergleich möglicherweise zu stark auf sozioökonomische Faktoren lenken, da die SSS-D-Skala explizit auf klassische sozioökonomische Faktoren verweist, was bei der SSS-U-Skala bewusst vermieden wird [Adler und Stewart, 2007]. Nur so können analog zu der englischsprachigen «Community»-Version der MacArthur-Skala auch eher weitere statusrelevante Faktoren in das SSS-U-Maß einfließen [Adler und Steward, 2007]. Die überwiegende Anzahl der Studien zum SSS erfasst zu Vergleichszwecken zudem auch den OSS in Form von Bildung, Beruf oder Einkommen bzw. gewichteten OSS-Indikatoren. Die Autoren erklären, dass keinerlei Interessenskonflikte in Bezug auf das vorliegende Manuskript bestehen.
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