Editorial Acesso aberto Revisado por pares

Editorial: Wie ist Veränderung möglich? – Energiesparen in Cambridge

2013; Wiley; Volume: 125; Issue: 42 Linguagem: Alemão

10.1002/ange.201306176

ISSN

1521-3757

Autores

Jeremy K. M. Sanders,

Tópico(s)

Sustainability and Climate Change Governance

Resumo

Die University of Cambridge verfügt über eine Menge intellektueller Energie, und sie verbraucht riesige Mengen an elektrischer Energie: Wir zahlen jährlich mehr als elf Millionen £ (dreizehn Millionen €) für Strom. Wie können wir unseren Intellekt nutzen, um diese Kosten zu reduzieren? Hier möchte ich die komplexe physikalische und menschliche Umgebung beschreiben, in der wir eine Veränderung bewirken wollen, sowie unsere ersten Schritte hin zu einer Reduktion des Energieverbrauchs.1 Jeder Leser wird eine etwas andere Situation als wir vorfinden, aber viele der Probleme und einige der Lösungen, die wir erkunden, spielen überall eine Rolle. Und die Herausforderungen, die mit dem Versuch verknüpft sind, eine dauerhafte Veränderung in einer freidenkenden Universität zu bewirken, spiegeln im Mikrokosmos die Herausforderungen für demokratische Regierungen überall auf der Welt wider. Ich bin sowohl für die 9500 Beschäftigten der Universität als auch für ihre Umwelt- und Energiestrategie zuständig, soll also einen Teil unserer intellektuellen Energie so einsetzen und alle Beschäftigten und Gebäude so führen, dass wir den “Kohlenstoff-Fußabdruck” und die Energiekosten reduzieren, die Nachhaltigkeit verbessern und Vorbild für andere Einrichtungen sind. Der Zwang dazu hat politische und finanzielle Ursachen, und er nimmt zu. Die britischen Universitäten sind unabhängig – ihre Beschäftigten sind keine Staatsangestellten –, auch wenn ein erheblicher Teil ihrer Gelder von der Regierung mit Bedingungen versehen kommt. Man könnte meinen, dass es in Cambridge mit seinen vielen talentierten und aufgeschlossenen Menschen einfach sein sollte, den Energieverbrauch zu optimieren. Doch unsere Stärke ist eben auch eine Herausforderung. Unsere wissenschaftlichen Erfolge, mit mehr als 80 Nobel-Preisen von Lord Rayleigh 1904 bis John Gurdon 2012 gewürdigt, verdanken wir mit Sicherheit den traditionellen Werten Individualität und Kreativität. Doch Menschen, die mit einem neuen Experiment oder einer neuen Einsicht Jahrzehnte oder Jahrhunderte konventionellen Denkens über Bord werfen können, passen nicht gut zu einem sauberen, regelbasierten Managementsystem von oben nach unten; sie sind überraschend wenig zu Änderungen bereit. Cambridge ist demokratisch organisiert: 3500 Menschen dürfen über jeden wichtigen Vorschlag abstimmen. Die Leiter der Departments werden von ihren Mitarbeitern gewählt und ignorieren oft Anweisungen der Zentralverwaltung, und sie verteidigen die Teilbudgets und Hausverwalter ihrer Departments energisch. Wie also kann die Universitätsleitung Veränderungen erreichen, die sie für notwendig erachtet, die aber als unbequem empfunden werden? Beim Thema Energie gibt es eine Kluft zwischen den Forschern und dem technischen Personal. Wir sind mit führend in der Welt bei den Themen organische und Festkörper-LEDs, Photovoltaik, leichte Akkumaterialien und Methoden für effiziente Produktion und Wiederverwertung. Das ist glänzende Forschung und Ingenieursarbeit, aber es wird das Leben eines Haustechnikers noch lange nicht verändern, der voll damit ausgelastet ist, die Abflüsse frei und die Computerkühlung am Laufen zu halten. Zur Universität gehören mehr als 300 Gebäude mit einer Gesamtfläche von 600 000 m2. Die ältesten Gebäude sind über 600 Jahre alt und können wegen des Denkmalschutzes nicht optimal energieeffizient gemacht werden; die neuen naturwissenschaftlichen Gebäude sind elegant und energieeffizient, aber voller Hochleistungsausstattung; viele unserer Hauptgebäude stammen aus der Zeit der großen Erweiterung im 20. Jahrhundert, als Energieaspekte für Architekten keine Rolle spielten. Das Chemiegebäude ist dafür ein perfektes Beispiel: Es wurde 1958 eröffnet und seither wiederholt modernisiert, erweitert und modifiziert, sodass seine Heizungs- und Kühlsysteme heute komplex, suboptimal und schlecht dokumentiert sind. In ihm arbeiten 500 Angestellte und Doktoranden und nutzen jede Woche 800 Studenten die Labors und Hörsäle, und es kostet uns jährlich über eine Million £ für Strom und Gas. Die meiste Energie verbrauchen wir für Forschung, vor allem in den Naturwissenschaften, der Medizin und den Ingenieurwissenschaften. Drastisch gewachsen ist der Anteil für das Kühlen im IT-Bereich: Das Klimatisieren der Computerräume braucht so viel Strom wie das Betreiben der Server. Die Universität spricht sich gegen Klimaanlagen in Labors und Büros aus; doch für die Mäuse und andere Versuchstiere muss laut Gesetz ein intensiv überwachtes Raumklima sichergestellt sein: Wir kühlen und entfeuchten die Umgebungsluft, bevor wir sie wieder erwärmen und anfeuchten. Für die mittelalterlichen Bücher und antiken Fundstücke in Bibliotheken bzw. Museen sind die Anforderungen an die Temperatur- und Feuchtekontrolle noch höher, und in unseren Gewächshäusern wird mithilfe Dutzender energiehungriger Leuchtstoffröhren ein tropisches Klima erzeugt. Der stetige Anstieg des Energieverbrauchs und der Energiepreise ließ befürchten, dass die Kosten in Zukunft außer Kontrolle geraten werden. Darum starteten wir 2011 das “Energy and Carbon Reduction Project” (ECRP), dessen Geld in Maßnahmen gesteckt werden sollte, die sich rasch finanziell rentierten. Am Anfang standen fünf Pilotprojekte, um die effektivsten Maßnahmen zu ermitteln. Details zu diesen Projekten und zum sich entwickelnden Kohlenstoffmanagementplan finden Sie im Internet (siehe http://www.admin.cam.ac.uk/carbon/projects/). Unsere wichtigsten Erkenntnisse zwei Jahre später: 1) Die Änderung von Verhaltensweisen ist für den Erfolg entscheidend, 2) das nachträgliche Anpassen einer technischen Lösung an ein Gebäude ist einfach, Menschen zu einer Verhaltensänderung zu motivieren dagegen schwierig. Und dabei brauchen wir Verhaltensänderungen auf allen Ebenen: Wir brauchen Leute, die im Labor unnötige Lampen, Öfen und Computer ausschalten und sich bei kaltem Wetter wärmer anziehen; wir brauchen Haustechniker, die die Heiz- und Kühlsysteme optimieren; wir brauchen Departmentleiter, die einsehen, dass Stromsparen ihrer Mitarbeiter und Studenten Geld verfügbar macht, das produktiver eingesetzt werden kann; wir müssen beim Planen neuer Gebäude die laufenden Betriebskosten stärker berücksichtigen, selbst wenn das zunächst einen höheren Kapitaleinsatz bedeutet; und wir müssen unsere Lieferanten und Dienstleister mit unseren Beschaffungsprozessen davon überzeugen, dass wir es mit dem Energiesparen ernst meinen. Damit eine Verhaltensänderung gelingt, müssen die Menschen die Früchte ihrer Anstrengungen sehen, und sie brauchen häufig einen Anreiz. Darum installieren wir an allen geeigneten Stellen in unseren Pilot-Bereichen Messgeräte und zeigen die Werte auf öffentlichen Bildschirmen und PCs an. Damit können Teilbereiche miteinander in Wettbewerb treten. Zeitschaltuhren an Trockenöfen und über Bewegungsmelder gesteuerte Lichtschalter sind erstaunlich effektiv, sowohl für den raschen finanziellen Nutzen als auch für die Bewusstseinsschulung. In einem Department wurde eine Flasche Wein pro Monat für das erfolgreichste Labor ausgelobt; das brachte einen kurzfristigen Erfolg, aber es war auf begeisterte Personen angewiesen, und wie bei vielen Anreizsystemen kann der Entzug zu einer drastischen Verschlechterung der Leistung führen. Haustechniker haben für die Energieeffizienz ihrer Gebäude große Bedeutung, doch viele von ihnen haben nicht das Wissen, die Zeit oder die Ressourcen, einfache Energiesparmaßnahmen zu erkennen und umzusetzen, z. B. die Fließgeschwindigkeit in der Warmwasser- oder in der Klimaanlage zu optimieren. Hilfe durch Energiemanager ist bei der Reduktion der Kosten und des Energieverbrauchs sehr effektiv, vor allem wenn das Department die dadurch eingesparten Mittel behalten darf. Neben dem ECRP haben wir weitere Programme am Laufen: von einem von Santander unterstützten Living Laboratory Project, in dem Studenten als Teil ihrer Ausbildung klein dimensionierte Studien an echten Gebäuden durchführen und praktikable Lösungen vorschlagen, bis zu einer möglichen großräumigen Heizungsversorgung, an der wir zusammen mit der Stadtverwaltung arbeiten. Wir versuchen, Ein-Personen-Autofahrten zu reduzieren – mehr als 40 % der Beschäftigten nutzen bereits das Fahrrad, den Bus oder gehen zu Fuß, doch wenn wir zum Car-Sharing ermuntern und das Parken kostenpflichtig machen, könnten wir noch besser werden. Server in großen, gut konzipierten und natürlich gekühlten Räumen oder Gebäuden zu zentralisieren spart effektiv Strom und schafft wertvollen Raum für andere Aktivitäten, wird aber von Kollegen nicht geschätzt, die “ihre” Ausrüstung in “ihrem” Bereich unter Kontrolle behalten wollen. Die Hochschulforscher insgesamt müssen sich mit dem Kohlenstoff-Fußabdruck auseinandersetzen, den Flüge zu Tagungen und natürlich auch Studenten, die in anderen Ecken der Welt studieren, verursachen. Das kann Cambridge nicht isoliert angehen, aber es wird mit Sicherheit irgendwann auf der politischen Agenda auftauchen. Dank der hier beschriebenen Maßnahmen ist der Stromverbrauch der Universität nicht mehr gestiegen, obwohl die Forschungsaktivitäten weiter zugenommen haben; wir erwarten für die nächsten Jahre eine echte Abnahme, doch größere Reduktionen werden eine Riesenherausforderung sein, und sie werden nicht dadurch erreicht werden, dass ich oder irgendwer sonst sie verfügt: Veränderung wird nur gelingen, wenn die Beschäftigten und die Studenten das Gefühl haben, es sei in ihrem ureigensten Interesse.

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