Artigo Acesso aberto Revisado por pares

Die Oxidationsstufe, ein Dauerbrenner!

2015; Wiley; Volume: 127; Issue: 16 Linguagem: Alemão

10.1002/ange.201407561

ISSN

1521-3757

Autores

Pavel Karen,

Tópico(s)

Radioactive element chemistry and processing

Resumo

Was ist eine Oxidationsstufe? Die Oxidationsstufe ist durch Algorithmen definiert, ihr fehlt aber eine umfassende Definition. Die Ergebnisse des IUPAC-Projekts, das versuchen wollte, sich dieser Definition anzunähern, wurden kürzlich in einem technischen Bericht veröffentlicht. Hier wird nun eine Zusammenfassung gegeben, mit Anwendungen an Lewis-, Bindungsgraph- und Summenformeln, zusammen mit neuesten Informationen über schwierige Fälle. Die Oxidationsstufe ist die einfachste Eigenschaft eines Elements in einer Verbindung. Sie wird früh in der chemischen Ausbildung als praktisches Elektronenzählschema für Redoxreaktionen eingeführt. Ihre Anwendungen reichen von der deskriptiven Chemie von Elementen bis zur Nomenklatur und Elektrochemie, oder sie fungiert als unabhängige Variable in Graphen und Datenbanken von Eigenschaften der gebundenen Atome (wie Radius, Bindungsvalenzparameter, Standardreduktionspotential, spektrale Parameter oder Spin). Die Geschichte der Oxidationsstufe reicht ungefähr 200 Jahre zurück; damals wurde sie beschrieben als schrittweise zunehmende Menge an Sauerstoff, der von Elementen gebunden wird, die mehr als ein Oxid bilden. In seinem 1835 verfassten Lehrbuch Unorganische Chemie1 spricht Wöhler von solch einer “Oxydationsstufe”. Dieser Ausdruck wird auch in vielen anderen Sprachen genutzt. Ein geläufiger äquivalenter Term ist Oxidationszahl (oxidation number); dieser wird im englischen Sprachgebrauch jedoch eher für den Redoxausgleich als für die chemische Systematik eines Elements verwendet.2 Unter dem Eintrag für die Oxidationsstufe gibt das IUPAC “Gold Book”3 einen Algorithmus zur Definition der Oxidationsstufe eines Zentralatoms als eine Ladung an, die es nach dem Entfernen seiner Liganden und geteilten Elektronenpaare erhält. Der Eintrag für die Oxidationsstufe in Lit. 3 ergänzt diesen mit einem Satz von Regeln für den Ladungsausgleich und postulierten Oxidationsstufen für Sauerstoff und Wasserstoff mit Ausnahmen. Details variieren von Lehrbuch zu Lehrbuch. Einige listen die Regeln nach abnehmender Priorität auf, um die expliziten Ausnahmen zu vermeiden; hier ein Beispiel4: Atome in einem Element haben die Oxidationsstufe 0. Die Summe der Oxidationsstufen in einer Verbindung ist 0. Fluor in Verbindungen hat die Oxidationsstufe −1. Alkalimetalle in Verbindungen haben die Oxidationsstufe+1, Erdalkalimetalle+2. Wasserstoff in Verbindungen hat die Oxidationsstufe+1. Sauerstoff in Verbindungen hat die Oxidationsstufe −2. In jüngsten Debatten befürworten Steinborn5 und Loock6 Paulings7 Ansatz der Zuordnung geteilter Elektronenpaare zum elektronegativeren Atom. Jensen8 arbeitet einige der von Loock betrachteten Punkte weiter aus. Smith9 und Parkin10 befassen sich mit der Oxidationsstufe im Kontext ähnlicher Begriffe. Calzaferri11 und Linford et al.12 machen Vorschläge für die Oxidationsstufe in organischen Verbindungen. Jansen und Wedig13 weisen auf die heuristische Natur der Oxidationsstufe hin und fordern, dass “die ordnenden Konzepte so genau wie möglich definiert und diese Definitionen bei Anwendungen stets beachtet werden müssen”. Auch die IUPAC hat erkannt, dass eine Annäherung an eine konnotative Definition für die Oxidationsstufe nötig ist. 2009 wurde das Projekt “Toward Comprehensive Definition of Oxidation State” initiiert, geleitet vom Autor dieses Essays, und seine Ergebnisse wurden kürzlich in einem umfangreichen technischen Bericht veröffentlicht.14 Wir haben mit einer generellen Definition der Oxidationsstufe begonnen, mit Begriffen, die allgemein genug sind, um Gültigkeit zu gewährleisten. Anschließend haben wir diese Begriffe verfeinert, um aus Algorithmen, die auf Lewis-, Summen- und Bindungsgraphformeln zugeschnitten sind, typische Werte zu erhalten. Die Oxidationsstufe ist die Ladung des Atoms nach genäherter Darstellung seiner Bindungen als Ionenbindung (ionische Näherung). Die zu klärenden Begriffe sind “Atomladung”, “seiner Bindungen” und die “ionische Näherung”. Die Atomladung ist die normale Zählung von Valenzelektronen relativ zum freien Atom. Die Oxidationsstufe ist ein quantitatives Konzept, das mit ganzzahligen Werten von gezählten Elektronen arbeitet. Dies könnte idealisierte visuelle Darstellungen oder Abrunden numerischer Ergebnisse erfordern. Die ionische Näherung könnte zu ungewöhnlichen Ergebnissen führen. Wenn man die NN-Bindung in N2O zu einer Ionenbindung extrapolieren würde, erhielte das zentrale N-Atom die Oxidationsstufe +5 und das endständige N-Atom −3. Um weniger extreme Werte zu erhalten, sollten Bindungen zwischen Atomen des gleichen Elements bei der ionischen Näherung gleichmäßig aufgeteilt werden. Diverse Kriterien der ionischen Näherung wurden dafür berücksichtigt: 1) Extrapolation der Bindungspolarität a) von der Elektronegativitätsdifferenz, b) vom Dipolmoment, c) von quantenchemischen Ladungsberechnungen. 2) Zuordnung der Elektronen hinsichtlich der Atombeteiligung am Molekülorbital (MO). Wie in Anhang B von Lit. 14 diskutiert, hängen die meisten Elektronegativitätsskalen vom Atombindungsstatus ab, was die Zuordnung der Oxidationsstufe zum Zirkelschluss macht. Manche Skalen führen zu ungewöhnlichen Oxidationsstufen, z. B. −6 für Platin in [PtH4]2− mit Pauling- oder Mulliken-Skalen. Anhang E von Lit. 14 zeigt, dass ein Lewis-basisches Atom mit geringerer Elektronegativität als sein Lewis-saurer Bindungspartner bei ionischer Näherung des Addukts die oft schwache und lange Bindung verliert und damit eine ungewöhnliche Oxidationsstufe ergibt. Anhang A von Lit. 14 verdeutlicht, dass die Dipolmomente der Moleküle wie CO und NO, die mit positiven Enden zum Sauerstoffatom orientiert sind,15–17 zu abnormen Oxidationsstufen führen würden. Anhang C von Lit. 14 zeigt die Vielzahl von berechneten quantenchemischen Atomladungen. Dies lässt die Atombeteiligung zum bindenden MO, die Atomorbitalenergie, als das Kriterium für die ionische Näherung übrig (Abbildung 1). Die Essenz der angenommenen ionischen Näherung gemäß der Beteiligung am bindenden MO. Die Mischungskoeffizienten cA und cB beziehen sich auf die Atomorbitalwellenfunktionen ψA und ψB in einem MO-LCAO-Ansatz (LCAO=lineare Kombination von Atomorbitalen). Abbildung 1 impliziert, dass, während in AA-Bindungen eine gleichmäßige Verteilung vorliegt, in einer AB-Verbindung das mehr zum bindenden Molekülorbital beitragende Atom bei ionischer Näherung der Bindung eine negative Ladung erhält. Lit. 14a unterstreicht, dass der besagte Beitrag nichts mit dem eigentlichen Ursprung der Elektronen der Bindung bei deren Bildung, sondern lediglich mit der finalen Zugehörigkeit der Elektronen zu tun hat. Weiterhin ist Abbildung 1 keine Anleitung zur Nutzung der Mischungskoeffizienten; sie beschreibt nur ein Konzept. Die gleiche ionische Näherung erhält man unter Berücksichtigung der heuristischeren Orbitalenergien. Sollten komplizierte MO-Schemata die oben genannten Kriterien unpraktikabel machen, kann die ionische Näherung ausgehend von Elektronegativitäten abgeschätzt werden. Von diversen diskutierten Skalen aus Anhang B in Lit. 14 ist nur Allens Elektronegativität wahrhaftig unabhängig von der Oxidationsstufe, da sie sich auf die durchschnittliche Valenzelektronenenergie des freien Atoms bezieht.18–20 Eine solche ionische Näherung wird erhalten, wenn die implizierten Bindungen in Abbildung 1 außer Acht gelassen werden (Abbildung 2). Die ionische Näherung entsprechend der relativen Energien der Valenzorbitale des freien Atoms, die von Allens Elektronegativitäten abgeleitet werden. Das Elektronegativitätskriterium für die ionische Näherung enthält eine Ausnahme, wenn das elektronegativere Atom reversibel als Lewis-Säure gebunden wird (ein so genannter Z-Ligand; Anhang E von Lit. 14): Sein Akzeptororbital ist hoch, und das weniger elektronegative Lewis-Base-Donoratom behält die Elektronen wegen seines größeren Beitrags zum bindenden MO. Ein Zugehörigkeitskriterium von Haaland21 identifiziert ein solches Addukt: Angewendet auf die ionische Näherung fragt man sich, wohin die Bindungselektronen gehen, wenn die Verbindung thermisch getrennt wird. Wenn die Trennung heterolytisch ist, folgt die ionische Näherung den Elektronen; wenn sie homolytisch ist, gilt die Elektronegativität. Tabelle 1 listet die Allensche Skala auf. H 2.300 He 4.16 Li 0.912 Be 1.576 B 2.051 C 2.544 N 3.066 O 3.610 F 4.193 Ne 4.787 Na 0.912 Mg 1.293 Al 1.613 Si 1.916 P 2.253 S 2.589 Cl 2.869 Ar 3.242 K 0.734 Ca 1.034 Ga 1.756 Ge 1.994 As 2.211 Se 2.424 Br 2.685 Kr 2.966 Rb 0.706 Sr 0.963 In 1.656 Sn 1.834 Sb 1.984 Te 2.158 I 2.359 Xe 2.582 Cs 0.659 Ba 0.881 Tl 1.789 Pb 1.854 Bi 2.01 Po 2.19 At 2.39 Rn 2.60 Sc 1.19 Ti 1.38 V 1.53 Cr 1.65 Mn 1.75 Fe 1.80 Co 1.84 Ni 1.88 Cu 1.85 Zn 1.59 Y 1.12 Zr 1.32 Nb 1.41 Mo 1.47 Tc 1.51 Ru 1.54 Rh 1.56 Pd 1.58 Ag 1.87 Cd 1.52 Lu[a] 1.09 Hf 1.16 Ta 1.34 W 1.47 Re 1.60 Os 1.65 Ir 1.68 Pt 1.72 Au 1.92 Hg 1.76 Die Oktettregel22 ist relevant für die elektronegativsten Atome im Periodensystem. In einer ausreichend einfachen Summenformel, die solche Atome enthält, diktiert sie allein die Oxidationsstufen. Der Algorithmus heißt DIA in Lit. 14 (direct ionic approximation, direkte ionische Näherung): Atome werden entsprechend der abnehmenden Elektronegativität Oktetts zugeordnet, bis alle verfügbaren Valenzelektronen verbraucht sind. Die Atomladung entspricht dann der Oxidationsstufe. Typische DIA-freundliche Spezies sind homoleptische binäre Verbindungen mit mindestens einem sp-Element (Abbildung 3): CO, HF2−, NO3−, NO2, NH4+, CrO42−, BF4−, SF6, SnCl62−, CuCl42−, RuO4, AuI4− …︁; oder Feststoffe mit einer homoleptischen periodischen Bindungseinheit: KBr, SiC, AlCl3, SnCl2 usw. DIAs von Verbindungen mit drei oder mehr Elementen können mehrdeutig werden, mit Begrenzungen, die in Anhang D von Lit. 14 diskutiert werden. Bestimmung der Oxidationsstufen (rot) in CO und HF2− durch DIA (direkte ionische Näherung), die an einer Summenformel durch Verteilen der Valenzelektronen (hier in Paaren gezeichnet) in Oktetts nach abnehmender Elektronegativität ausgeführt wurde. Dieser Algorithmus funktioniert mit Lewis-Formeln, die sämtliche Valenzelektronen aufzeigen: Bindungen werden dem negativeren Bindungspartner, der durch ionische Näherung identifiziert wird, zugeordnet. Die resultierenden Atomladungen repräsentieren dann die Oxidationsstufe (Abbildung 4). Da nur homonukleare Bindungen (gleichmäßig) geteilt werden, sind korrekte Bindungsordnungen nur essenziell zwischen aus demselben Element bestehenden Atompaaren, die asymmetrisch innerhalb des Segments der Bindungen dieses Paares sind, inklusive des Vorzeichens ihrer ionischen Näherung: Während die OO-Bindungsordnung in Abbildung 4 nicht wichtig ist, solange das -OO-Segment symmetrisch gehalten wird, ist die NN-Bindungsordnung in der N2O-Lewis-Formel immer von Bedeutung. Oxidationsstufen in peroxysalpetriger Säure, erhalten durch Zuordnung der Bindungen zu den elektronegativeren Partnern der Lewis-Formel, die mit sämtlichen Valenzelektronenpaaren (Striche) gezeichnet ist. Ein Beispiel für eine Ausnahme von der Regel der ionischen Näherung hinsichtlich der Elektronegativität ist [(C5H5)(CO)2Fe- B(C6H5)3]23 auf der rechten Seite von Abbildung 5. Trotz höherer Elektronegativität von B behält das Lewis-basische Fe-Atom die Elektronen, die es übertragen hat, um Triphenylboran zu binden. Wenn B durch Al ersetzt wird24 (Abbildung 5, links), gilt das gleiche Prinzip, jetzt gemäß den Elektronegativitäten von Fe und Al. Die schwachen Donor-Akzeptor-Bindungen in diesen beiden Addukten sind Anzeichen des Reversibilitätskriteriums von Haaland,21 das in Lit. 14 vorgeschlagen wurden, um Fälle von Elektronenzugehörigkeit gegenüber Elektronegativität, wie in Abbildung 5, rechts, zu identifizieren. Oxidationsstufen durch Zuordnung von Metall-Metall-Bindungen entsprechend der Beteiligung des Atoms am bindenden MO. Eine Ausnahme der Zuordnung entsprechend der Elektronegativität stellt dar, wenn das Lewis-basische Atom weniger elektronegativ ist als das Lewis-saure Atom (siehe rechte Struktur). Dieser Algorithmus ist auf Bindungsgraphen zugeschnitten. Ein Bindungsgraph repräsentiert das unendliche periodische Netzwerk eines ausgedehnten Feststoffs.25, 26 Er wird auf einer stöchiometrischen Formel der Wiederholungseinheit des Netzwerks konstruiert, wobei die Atomsymbole so verteilt sind, dass eine gerade Linie für jeden Fall von Atombindungskonnektivität gezeichnet wird. Jede Linie trägt ihre eigene spezifische Bindungsordnung. Um die Oxidationsstufe zu erhalten, wird an jedem Atom eine Summe, die aus seinen Bindungsordnungen gewichtet nach ihrem ionischen Vorzeichen am Atom erhalten wird, berechnet. Solch eine “Summe der ionisierten Bindungsordnungen”, iBOS, ist gleich der Oxidationsstufe des Atoms. Abbildung 6 erklärt dies anhand einer AuORb3-Struktur, die vom Perowskit-Typ ist27 und deren Bindungsordnungen nach der 8+N-Regel für Rb, 8−N-Regel für O und 12−N-Regel für Au erhalten wurden. Die Elementarzelle und Koordinationspolyeder des AuORb3-Perowskits mit seinem Bindungsgraph aus idealen Bindungsordnungen (Werte in Blau), die nach der 8−N-Regel für O, 8+N-Regel für Rb und 12−N-Regel für Au erhalten wurden. Die Bindungsordnungen sind mit Vorzeichen versehen und ergeben summiert an jedem Atom die jeweilige Oxidationsstufe (in Rot). Die 8+N-Regel: Ein elektropositives sp-Atom mit N Valenzelektronen bildet N Zwei-Elektronen-Bindungen zu Atomen mit höherer Elektronegativität. Die Regel umfasst Alkali- und Erdalkalimetalle. Die 8 im Namen symbolisiert die vorangegangene Edelgasschale. Die 8−N-Regel: Ein elektronegatives sp-Atom mit N Valenzelektronen neigt zur Bildung von 8−N, aber nicht mehr als vier Zwei-Elektronen-Bindungen zu Atomen der gleichen oder geringerer Elektronegativität. Als Beispiel: Phosphor mit 5 Valenzelektronen bildet 3 Zwei-Elektronen-Bindungen im P4-Tetraeder, und Stickstoff macht das Gleiche in N2. In heteroatomaren Molekülen wird die 8−N-Regel durch höhere Elektronegativität erzwungen. Beispiele: In Schwefelfluoriden gilt die 8−N-Regel für Fluor. Bindungen in SF2, SF4 und SF6 haben alle ungefähr die Länge einer Einfachbindung.28 In der Reihe BF, CO und N2 tritt die von der Oktettregel vorgeschlagene Dreifachbindung nur in N2 auf, wohingegen O und F die Bindungsordnung zu 2 bzw. 1 zwingen.29 Die 8−N-Regel ist nicht die gleiche wie die Oktettregel, da gegen beide individuell verstoßen werden kann: Die Lewis-Formel von N2O kann in der Form |NN-O| gezeichnet werden, in der sie die Oktettregel erfüllt, jedoch gegen die 8−N-Regel beim Sauerstoffatom verstößt. Wasserstoff folgt einer analogen 2−N-Regel. Die 12−N-Regel: Ein Element, das um die 12 dsp-Elektronen in seinen äußersten Schalen hat, neigt bei einer Zahl >12 zu einer Abgabe der überzähligen Elektronen oder bei einer Zahl 4, c≤0) sind sp-Cluster, die nicht elektronenpräzise sind (die Gerüstbindungen sind keine Einfachbindungen). Wenn alle B-Atome äquivalent sind, kann die Oxidationsstufe mit DIA einer Wiederholungseinheit (wie BH(1/3)− mit 4 1/3 Elektronen für B6H62−) berechnet werden. Das Wasserstoffatom der Einheit erhält zwei Elektronen (2−N-Regel), und es verbleiben 2 1/3 Elektronen an B, was bedeutet, dass OSB=+2/3 (immer noch berechnet mit ganzen Elektronen; zwei pro drei Atome). Für die Verallgemeinerung OSH=−1 ergibt sich durch Ladungsausgleich (h+c)/b für die durchschnittliche Bor-Oxidationsstufe in BbHhc. Um individuelle Bor-Oxidationsstufen zu erhalten, werden zuerst die Wade-Mingos-Regeln51–54 angewendet: Zum Beispiel hat B6H10 14 Valenzelektronenpaare, von denen sich sechs in B-H-Einfachbindungen und eines immer in einem radialen Gerüst-MO befinden, während die verbleibenden sieben (in den tangentialen Gerüst-MOs) ein siebeneckiges Stammdeltaeder (pentagonale Bipyramide) definieren, von dem in B6H10 ein Eckpunkt (ein nido-Boran) “fehlt” (Abbildung 13). Seine B-Atome sind nicht alle äquivalent: Die fünf basalen Boratome sind an neun Wasserstoffatome gebunden, welche die 2−N-Regel befolgen. Die Aufsummierung der Bindungsordnungen mit positiven Vorzeichen ergibt die Oxidationsstufe +2 für drei dieser Boratome (die vorderen) und +3/2 für die anderen zwei. Das apikale B-Atom hat die Oxidationsstufe +1 infolge einer Einfachbindung zu H. Das nido-Boran B6H10. Wenn bindende und antibindende Orbitale/Banden in einem Metall überlappen, können wir nicht mehr die ionische Extrapolation wie in Abbildung 1 durchführen. Es gibt allerdings einfache metallische Verbindungen mit offensichtlichen Oxidationsstufen, wie das goldene TiO, dunkle RuO2 oder silberne ReO3. Einige sp-Elemente bilden auch stöchiometrische metallische Verbindungen: Ba3Si4 folgt dem Zintl-Konzept,47 indem es Schmetterlings-förmige Si46−-Anionen bildet, in denen entsprechend der verallgemeinerten 8−N-Regel zwei Si-Atome zwei Bindungen und zwei Si-Atome drei Bindungen zueinander haben. Diese Verbindung ist schwach metallisch.55 Letztlich hat die Zuordnung leitender Elektronen zu einem der beiden gebundenen Atome ihre Grenzen. Ein Hinweis auf dieses Problem ist eine unerwartete Elektronenkonfiguration oder ein unerwartetes Bindungsmuster. Der erste Fall wird durch den AuNCa3-Perowskit56 illustriert (Abbildung 14), in dem bei Vernachlässigung des Metallcharakters das Vorliegen von Au3−-Anionen vorhergesagt wird, was von der Theorie nicht gestützt wird. Der zweite Fall kann durch zwei Platinide veranschaulicht werden: rot-transparentes Cs2Pt57 und schwarzes BaPt.58 In Übereinstimmung mit der 12−N-Regel enthält Cs2Pt isolierte Pt2−-Anionen – ein relativistisches Sulfid. Dagegen hat BaPt solche Anionen nicht; es enthält vielmehr Ketten aus Pt, als ob es ein Elektronendefizit am Pt-Atom gäbe. Das heißt, dass manche Elektronen von Pt2− abgegeben werden, um BaPt metallisch zu machen, und es ist dieses Defizit, das durch die Bildung von Pt-Pt-Bindungen kompensiert wird. Wären diese Pt-Pt-Bindungen Einfachbindungen, entspräche ihre Kette einem neutralen relativistischen Schwefel, und BaPt würde aus Ba2+, 2e− und Pt in unendlichen Ketten gebildet werden. Da BaPt formal stöchiometrisch erscheint, führt die Oxidationsstufe von +2 für Ba zu −2 für Pt, was nicht der tatsächlichen Bindung entspricht. Bindungsgraph für den metallischen Perowskit AuNCa3, in dem die summierten Bindungsordnungen von N und Ca, erhalten aus der 8−N- bzw. 8+N-Regel, eine ungültige Oxidationsstufe für Au ergeben. Unzulängliche Oxidationsstufen werden auch erhalten, wenn DIA auf geordnete Legierungen einer Zusammensetzung und Struktur angewendet wird, die hauptsächlich von der Größe bestimmt werden, z. B. auf LiPb oder Cu3Au, bei denen die 8−N- oder 12−N-Regel für die elektronegativsten Elemente nicht gilt. Wenn die Oxidationsstufe benötigt wird, um Redoxreaktionen auszugleichen, wird sie am besten als null für alle Elemente angenommen. Oxidationsstufen finden breite Anwendung in der Chemie, und ein Wert passt nicht immer für alle Fragestellungen. In der systematischen beschreibenden Chemie regeln die Oxidationsstufen die Verbindungen eines Elements; in der Elektrochemie repräsentieren sie die elektrochemisch relevanten Verbindungen oder Ionen in Latimer-Diagrammen und Frost-Diagrammen von Standard(reduktions)potentialen. Solche zweckorientierten Oxidationsstufen, die sich von den per Definition vorgegebenen unterscheiden, können “nominell” genannt werden, in den beiden genannten Fällen auch “systematisch” und “elektrochemisch”. Ein Beispiel für beide ist Thiosulfat. Struktureigenschaften59 sprechen dafür, dass all seine endständigen Atome einen Teil der Anionenladung tragen, auch wenn die S-S und S-O-Bindungsordnungen nicht komplett gleich sind. Die S-S-Bindung ist mit 2.025 Å59 kürzer als die Einfachbindung von 2.055 Å46 im kristallinen S8 oder 2.056 Å60 im H2S2-Gas, aber wesentlich länger als die Doppelbindung von 1.883 Å61, 62 in S2O oder 1.889 Å63 in S2. Auch wenn die S-S-Einfachbindung die genaueste Näherung ist, sind in Abbildung 15 zwei Lewis-Grenzstrukturen einander gegenübergestellt: Oxidationsstufen in Thiosulfat durch Zuordnung der Bindungen sowie durch Summierung der Bindungsordnungen in zwei Lewis-Grenzstrukturen (in denen sich der Autor dafür entschied, ionokovalente Bindungen zu den hier nicht gezeigten Kationen zu zeichnen, um Formalladungen zu vermeiden); links: S-S-Einfachbindung einfach, rechts: S-S-Doppelbindung. Die linke Struktur sieht die Oxidationsstufe −1 am endständigen Schwefelatom vor, was an den Wert in Peroxiden erinnert. Die rechte Struktur postuliert Oxidationsstufen, die, wenn sie für die Lewis Säure–Base-Reaktion S + SO32−→S2O32− genutzt werden, die Reaktion zum Nicht-Redoxprozess machen. Dies ist nicht unbedingt ein Vorteil, da diese Reaktion in wässriger Umgebung gut durch Halbreaktions-Standardpotentiale beschrieben ist, wobei die durchschnittliche Schwefeloxidationsstufe +2 verwendet wird, die Thiosulfat in Latimer- und Frost-Diagrammen repräsentiert – eine “elektrochemische Oxidationsstufe”. Der einzige Weg zu eindeutigen Oxidationsstufen für beide S-Atome in Thiosulfat wäre eine Berücksichtigung der S-S-Bindungspolarität, wie in manchen Lehrbüchern beschrieben: Das endständige Schwefelatom erhält −2, das zentrale Schwefelatom +6, unabhängig von ihrer Bindungsordnung, was die Ähnlichkeit der O- und S-Liganden unterstreicht – eine “systematische Oxidationsstufe”. Jørgensen64, 65 prägte das Adjektiv “non-innocent” für redoxakti

Referência(s)
Altmetric
PlumX