Spagyrik - Alchemie für die moderne Ganzheitsmedizin
2015; Volume: 27; Issue: 5 Linguagem: Alemão
10.1159/000439289
ISSN1663-7607
Autores Tópico(s)Plant Toxicity and Pharmacological Properties
ResumoSeit einiger Zeit werden in der komplementär und ganzheitlich ausgerichteten Medizin vermehrt spagyrische Heilmittel eingesetzt. Obwohl sie seit vielen Jahrzehnten hergestellt werden, waren sie lange nur «Insidern» bekannt. Dabei gibt es im deutschsprachigen Raum rund ein Dutzend Firmen, die spagyrisch hergestellte Arzneimittel anbieten. Vor allem in der Schweiz jedoch erfreuen sich Spagyrika im Bereich des OTC-Verkaufs in Apotheken und Drogerien seit einigen Jahren einer steigenden Beliebtheit. Manche Ärzte und Therapeuten stehen der Methode allerdings noch etwas skeptisch gegenüber, da sie der alten Alchemie entstammt. Das Vorurteil des Obskuren und Unseriösen haftet ihr deshalb bisweilen heute noch an - zu Unrecht.Die Spagyrik zählt zu den wohl traditionsreichsten Therapieverfahren innerhalb der ganzheitlich ausgerichteten Medizin. Nur wenige andere Therapien lassen sich so weit zurückverfolgen. Ihre Ursprünge liegen in den alchemistischen Wissenschaften, die schon im antiken Ägypten gepflegt wurden. Von hier führt ihr Weg über das Altertum ins Mittelalter und findet schließlich in der Arztpersönlichkeit Paracelsus ihren letzten Höhepunkt. Paracelsus ist es auch, der den Ausgangspunkt für die zahlreichen spagyrischen Arzneisysteme bildet, die in der heutigen naturheilkundlichen Praxis zur Anwendung kommen.Spagyrik ist in erster Linie eine Arzneitherapie. Im Zentrum steht die Heilmittelherstellung. Die spezielle Form der Pharmazeutik ist das Herzstück der Spagyrik. Deren Ziel ist es, aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien wie Pflanzen, Mineralstoffen oder Metallen hochwertige und subtil, aber dennoch tiefgreifend wirksame Heilmittel herzustellen. Dies verbindet die Spagyrik z.B. mit der Homöopathie. Anders als bei dieser geht es der Spagyrik aber nicht nur darum, aus dem Ausgangsstoff eine Art feinstofflicher Energie herauszulösen und in einem Medium zu binden. Grundlegendes Ziel aller pharmazeutischen Prozesse, derer sich die Spagyrik bedient, ist die Umwandlung des Ausgangsmaterials (meist Pflanzen, Mineralien oder Metalle). In der spagyrischen Arzneimittelherstellung finden in erster Linie Transformationsprozesse statt. Ein Spagyrikum wird dadurch zum Heilmittel, indem der zu bearbeitende Grundstoff einen transformierenden Prozess durchläuft. Hier ergeben sich Verbindungen zur Anthroposophischen Medizin. Auch Rudolf Steiner lehnte sich bei der Begründung dieser Medizinform an Paracelsus und die Alchemisten an.Traditionell ist die Spagyrik eng mit Auffassungen der antiken Humoralpathologie verknüpft. Allerdings ging schon Paracelsus auf Distanz zu manchen Ideen dieser sogenannten «Säftelehre», bei der die Ursache aller Krankheiten in den vier «humores» (Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle) zu suchen sei. Zwar ist es mitunter immer noch üblich, Spagyrik in diesem traditionellen Kontext anzuwenden, doch gibt es inzwischen verschiedene Ansätze, die alchemistischen Ideen der Spagyrik in einem neuen Licht zu deuten. Hier ist das Modell der Salutogenese ein zentraler Ansatzpunkt, um die therapeutische Arbeit mit spagyrischen Arzneimitteln zu beschreiben. Dabei steht der Grundgedanke im Vordergrund, dass jeder lebende Organismus die Tendenz zur Selbstregulation in sich trägt. Gesundheit wird als dynamisches und multidimensionales Geschehen betrachtet, in dem sich der Mensch fortlaufend bewegt und in dem sich stabile und instabile Phasen abwechseln. Und somit gehört Krankheit zur Ganzheit des Lebens. Spagyrik will dabei in erster Linie am «inneren Arzt» ansetzen (ein Begriff, der auf Paracelsus zurückgeht) und die Selbstheilprozesse im Menschen anstossen, um die in ihm genuin angelegte Fähigkeit zu stärken, sich selbst wieder «ins Lot» zu bringen.Die Herstellung spagyrischer Arzneimittel wird heute im «Homöopathischen Arzneibuch» (HAB) geregelt. Dort gibt es inzwischen sechs verschiedene Vorschriften, die zu ganz unterschiedlichen spagyrischen Medikamenten führen. Darüber hinaus stellen manche Firmen nach eigenen Verfahren her. Somit kennt die Spagyrik eine Vielzahl von «Arzneisystemen», die zwar einen alchemistischen Hintergrund haben, sich in Theorie und Praxis jedoch oft deutlich unterscheiden. Es lässt sich somit nicht von der Spagyrik sprechen. Bei der Anwendung ist es vielmehr wichtig zu unterscheiden, welche Form von Spagyrik zum Einsatz kommen soll. Das HAB kennzeichnet diese bei der Deklaration mit entsprechenden Zusätzen wie z.B. «spag. Zimpel», «spag. Glückselig» oder «spag. Peka». So besagt die Angabe «spag. Zimpel» nach einem Mittelnamen, dass die Herstellung nach der Methode Zimpel des HAB (Vorschriften 25 und 26) hergestellt wurde.Die pharmazeutischen Hersteller von Spagyrika bieten einerseits Fertigarzneimittel an, andererseits (ähnlich der Homöopathie) auch Einzelmittel. Für die Therapie mit Einzelmitteln sind hier vor allem die HAB-Verfahren nach Zimpel und Glückselig von Bedeutung. Pflanzliche Ausgangsstoffe werden nach der Zimpel-Methode, anorganische Substanzen nach der Glückselig-Methode spagyrisch aufbereitet. Eine Besonderheit beider Verfahren ist die Möglichkeit, aus den jeweiligen Einzelmitteln patientenspezifische Rezepturen zu erstellen. Damit kann eine spagyrische Therapie speziell auf den Krankheitsfall und die individuelle Symptomatik zugeschnitten werden.Mit einer individuellen Rezeptur wird eine Art «Abbild» der Krankheitssituation des Patienten erstellt, das diese in Form einer spagyrischen Mischung widerspiegelt.Je individueller und umfassender ein solches Bild ist, desto deutlicher kann der «innere Arzt» dies erkennen und entsprechend reagieren und aktiv werden. Bei der Erstellung einer Rezeptur ist es daher das Ziel, möglichst solche Essenzen auszuwählen, die das Symptombild deutlich ansprechen. Soweit möglich, sollten alle typischen Beschwerden mit einer passenden Essenz abgedeckt werden. Im Gegensatz zur Homöopathie wird beim kreativen Rezeptieren in der Spagyrik nicht das auf allen Ebenen passende «Simile» gesucht, sondern dieses in Form einer individuellen Rezeptur selbst «komponiert». Das ist die zentrale Eigenleistung des Anwenders, die einen durchaus künstlerischen Aspekt in sich trägt und den Weg von der Heilkunde zur Heilkunst öffnen kann.Bei der Erstellung persönlicher Mischungen aus spagyrischen Pflanzenessenzen ist es möglich, therapeutische Querverbindungen sowohl zur Phytotherapie als auch zur Homöopathie und Aromatherapie zu berücksichtigen. Somit ist es möglich, ein individuell konzipiertes Komplexmittel zu kreieren, dessen Wirkspektrum sich am spezifischen Beschwerdebild eines Patienten orientiert. Richtlinien zur Rezeptur solcher Mischungen finden sich z.B. im Lehr- und Arbeitsbuch «Pflanzen-Spagyrik» (Natura Drogerien AG, Küttigen).
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