„Reden ist Silber, Schweigen ist Gold”: Der Fall Kinski und die ärztliche Schweigepflicht
2009; Thieme Medical Publishers (Germany); Volume: 36; Issue: 01 Linguagem: Alemão
10.1055/s-0028-1090090
ISSN1439-0876
AutoresHelmut Hausner, Hermann Spießl, Göran Hajak,
Tópico(s)Historical, Literary, and Cultural Studies
Resumo„War Klaus Kinski ein gefährlicher Psychopath?” Mit dieser reißerischen Fragestellung trug BILD im Juli 2008 Auszüge aus der psychiatrischen Krankenakte des Patienten Kinski in die Öffentlichkeit. Aber auch seriöse überregionale Tageszeitungen ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen, die psychiatrische Krankengeschichte eines Prominenten zu sezieren. So berichtete beispielsweise die Frankfurter Allgemeine Zeitung unter der Überschrift „Behandelt in Berlin. Klaus Kinski war kein Psychopath” interessiert über die psychiatrische Behandlung Kinskis in der Wittenauer Heilstätte, der späteren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf (Berlin), die heute vom Vivantes-Konzern betrieben wird. Die Berliner Morgenpost sah sich obendrein am 22. Juli 2008 auch zu dem Hinweis veranlasst, dass sich hinter dem jetzt zeitgemäßen Namen der Klinik die frühere „Städtische Irren- und Idioten-Anstalt zu Baldorff” verbirgt. Diese umfangreiche Medienberichterstattung war möglich geworden, nachdem vom Vivantes-Konzern – sicherlich in redlicher wissenschaftlicher Absicht – über 100 000 zeithistorische Krankenakten der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik an das Berliner Landesarchiv übergeben worden waren. Der anfängliche öffentliche Jubel des Landesarchives über den bedeutenden Zuwachs wertvoller historischer Akten verstummte jedoch rasch, als sich zuvorderst nicht die erwarteten Medizinhistoriker, sondern findige Journalisten über den jetzt öffentlich zugänglichen Aktenschatz hermachten und gezielt nach prominenten Einzelschicksalen zu fahnden begannen. Für diese öffentliche Neugier an fremden Krankengeschichten gibt es zahlreiche historische Präzedenzfälle. So werden in der medizinrechtlichen Fachliteratur als Beispiele für postmortale Verletzungen der ärztlichen Schweigepflicht die Veröffentlichung der Krankenakte Bismarcks durch seinen Leibarzt Schwenninger und die Publikation von Bildern des verstorbenen Papstes Pius XII. durch dessen Leibarzt Galeazzi-Lisi angeführt [1]. Die Hinterbliebenen Klaus Kinskis haben bereits kurz nach der Veröffentlichung seiner Krankengeschichte die Legitimität dieses Vorgehens bezweifelt und wehren sich mit rechtlichen Mitteln gegen den Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Verstorbenen.
Referência(s)