Artigo Revisado por pares

Stigmatisierung auch der Eltern und Angehörigen

2005; Thieme Medical Publishers (Germany); Volume: 5; Issue: 04 Linguagem: Alemão

10.1055/s-2004-861670

ISSN

1439-989X

Autores

H Behle, J Heimchen,

Tópico(s)

Health and Medical Studies

Resumo

Die Drogenpolitik in Deutschland hat dadurch, dass sie immer noch (trotz aller Verbesserungen) auf Stigmatisierung, Kriminalisierung, Ausgrenzung und letztlich soziale Verelendung setzt, eine erhebliche Auswirkung auch auf die Familien von Drogenkonsumenten. Eltern, die sich damit konfrontiert sehen, dass ihr Kind Drogen gebraucht oder schon gar abhängig ist, haben nicht nur diese Tatsache zu verarbeiten. Neben der Sucht, die in der Öffentlichkeit selten genug als Krankheit wahrgenommen wird, kommt der Makel der Illegalität und damit verbunden die Kriminalität hinzu. Kommt es dann zu einer Verurteilung, evtl. verbunden mit einer Gefängnisstrafe wegen Verstoß gegen das BtMG oder gar wegen Beschaffungskriminalität, ziehen sich die betroffenen Familien immer weiter von sozialen Bindungen zurück, bis hin zum völligen Verstummen. Neben ihren eigenen Schuldgefühlen „was haben wir nur falsch gemacht oder wir sind schlechte Eltern“ sind betroffene Eltern den teilweise massiven Schuldzuweisungen durch die Öffentlichkeit ausgesetzt: Alle selber Schuld, hätten ihre Kinder besser erziehen sollen, mein Kind könnte das mit mir nicht machen, uns kann so etwas nicht passieren und, und, und … Oft ist es auch innerhalb der Familie nicht mehr möglich, ein Gespräch darüber zu führen und der psychische Druck, dem die einzelnen Familienmitglieder ohnehin ausgesetzt sind, wird so weiter verstärkt. Sie brauchen Hilfestellung, um ihre eigene Befindlichkeit wahrzunehmen und zu erkennen, welche Wünsche und Hoffnungen sie für sich haben und welche für ihre Kinder. Sie brauchen Unterstützung, um zu erkennen, dass sie weder allein verantwortlich sind für die Abhängigkeit ihrer Kinder, noch dafür, ob diese aus der Sucht aussteigen. Häufig fällt nicht nur der Abhängige aus seinem Beziehungsnetz heraus, auch die Angehörigen reduzieren oft ihre sozialen Kontakte bis auf Null. Wobei die Gründe unterschiedlich sein können: Scham, das Gefühl nicht verstanden oder abgelehnt zu werden oder nur Getuschel hinter dem Rücken. Unser Anliegen ist es, Abhilfe zu schaffen, auf drogenpolitische Missstände aufmerksam zu machen gemäß unserem Leitsatz: „Wir können es uns nicht leisten, unkritisch zu sein. Wir können es uns nicht leisten, passiv zu sein. Wir können es uns nicht leisten, den Tod und das Elend unserer Kinder und Angehöriger in Schweigen und Demut hinzunehmen.“ Infolgedessen sind wir gefordert, Informationen an unsere Mitmenschen weiterzugeben, Aufklärung zu betreiben, um so ein Umdenken in der Bevölkerung bewirken zu können, ein Paradigmenwechsel zu forcieren. Wir wollen Vorurteile gegen unsere drogenabhängigen Kinder abbauen helfen, wollen eine Humanisierung in der Behandlung der Drogengebraucher und – gebraucherinnen erreichen. Dies setzt eine veränderte Meinung, ein anderes Denken unserer Mitmenschen voraus. Nur so können wir langfristig eine veränderte Drogenpolitik erreichen. Wir zitieren Prof. Quensel: „… Denkanstöße müssen von unten kommen!“ … wenn nicht von uns betroffenen Eltern, von wem sonst?! Wir sind doch die Ersten, die durch die eigene Betroffenheit unsere Anliegen und Forderungen am besten artikulieren und formulieren können. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass bisherige Umgangsweisen und Meinungen über Drogenabhängige, die aus überlieferten und übernommenen Denkgewohnheiten resultieren, nicht mehr im Einklang stehen mit der veränderten Situation, wie wir sie mit unseren Kindern erleben oder erlebt haben. Erst, wenn das Paradigma wechselt, sehe ich Dinge anders; und wenn ich anders sehe, denke, fühle und verhalte ich mich auch anders! Zur Veränderung braucht man Mut. Und vor allem Emotionalität. Durch sie wird der Mensch erst komplett: weil sie ihm Antrieb und Energie liefert, Dinge zu erforschen, zu hinterfragen, überhaupt zu tun. Wir Eltern haben durch unsere drogenabhängigen Kinder einen gravierenden Wandel durchlebt. Von einem Tag auf den anderen war nichts mehr so wie vorher. Dann, durch die Selbsthilfegruppe lernten wir wieder Mut zu fassen, den Alltag besser zu bewältigen und realisierten irgendwann: Es muss viel bewegt werden, damit es unseren suchtkranken Kindern besser gehen kann. Wir sind geradezu prädestiniert, einen Paradigmenwechsel zu forcieren und voranzubringen. Wir sind gefordert, Öffentlichkeit herzustellen – es gibt sie nicht einfach.

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