Artigo Acesso aberto Revisado por pares

Chemie hat keine Nationalität

2018; Wiley; Volume: 130; Issue: 31 Linguagem: Alemão

10.1002/ange.201802775

ISSN

1521-3757

Autores

John Holman, Edwin Silvester,

Tópico(s)

Chemistry and Chemical Engineering

Resumo

… Wir müssen absolut sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Wissenschaft unseren Regierungen klar kommuniziert werden, wieder und immer wieder, denn ich glaube fest daran, dass eine starke wissenschaftliche Forschung, in diesem Land und international, jedem etwas bringt. Sie ist nicht nur für Forscher gut: Wir alle profitieren vom wissenschaftlichen Fortschritt, und ein Land mit einer starken Forschung wird sich auch einer starken Wissensökonomie erfreuen …” Lesen Sie mehr im Editorial von John Holman und Edwin Silvester. Die hervorragend organisierte Feier fand im Berliner Konzerthaus statt. In meiner Ansprache gratulierte ich der GDCh herzlich und bedankte mich für 150 Jahre guter Zusammenarbeit und geteilter Leidenschaft für die Chemie. Ich stellte unsere gemeinsame Herkunft heraus, auch anhand der Person des ersten Präsidenten, August Wilhelm von Hofmann, der als Präsident der Chemical Society auch unsere Geschichte geprägt hat. Eines meiner zentralen Anliegen war es, zu betonen, dass die Chemie keine Nationalität hat – sie ist ein internationales Fach mit einer internationalen Sprache. Chemiker kooperieren über Grenzen hinweg. Zusätzlich zu unserem Treffen in Berlin luden wir im Oktober unsere GDCh-Kollegen ein, den deutschen Botschafter in London zu einer Feier im Burlington House zu begleiten. Meine Mitarbeiter fanden in den Archiven unserer Bibliothek im Burlington House, das der Royal Society of Chemistry seit Mitte des 19. Jahrhunderts als Quartier dient, einen Brief aus dem Jahr 1892, in dem der damalige Präsident der Chemical Society, Alexander Crum Brown, der GDCh zum 25. Gründungsjubiläum gratuliert. Schon er stellte fest, dass die Chemie keine Nationalität hat. Bezeichnend für die warmen und vorausblickenden Worte, die mein Amtsvorgänger vor 125 Jahren wählte, ist der folgende Absatz: “It will in the future come to be regarded as the greatest service of the Deutsche Chemische Gesellschaft that it has done so much to render possible the ultimate denationalisation of chemical science … Chemists of all nations record their results in the pages of its publication, which has become a meeting ground where international jealousies disappear and the spirit of utmost toleration prevails.” Was Crum Brown 1892 niederschrieb, hat heute – angesichts der Debatte um den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union – noch Gültigkeit. Wie jede andere Naturwissenschaft ist die Chemie darauf angewiesen, dass Forscher nicht durch Grenzen getrennt werden. Das spielt auch im Internet-Zeitalter eine Rolle, denn wir sind immer noch Menschen, und Menschen arbeiten dann am besten zusammen, wenn sie persönlich miteinander interagieren. Beide Jubiläumsfeiern bezeugen eine langjährige Beziehung zwischen zwei bedeutenden Chemie-Nationen. Diese Beziehung hat einige Turbulenzen überstanden, auch zwei Weltkriege, und ist heute stärker denn je. Auf manchen Gebieten sind wir Konkurrenten, zum Beispiel bei führenden Chemiezeitschriften. Es gibt aber vieles mehr, an dem wir zusammenarbeiten können und zusammenarbeiten müssen. Sinnbildlich für die Fortsetzung unserer Zusammenarbeit haben die Präsidenten und führende Repräsentanten beider Gesellschaften in Gegenwart des deutschen Botschafters im Vereinigten Königreich, Peter Ammon, einen Freundschaftsvertrag unterzeichnet (Abbildung 1). Dr. Ammon sagte in seiner Rede über die lange und enge Beziehung zwischen unseren chemischen Gesellschaften: Unterzeichnung des Freundschaftsvertrags zwischen den beiden Gesellschaften beim RSC-GDCh-Symposium anlässlich des 150. Gründungsjubiläums der GDCh. Für Details siehe Angew. Chem. 2017, 129, 16007. Bild: RSC. “Celebrating this event together highlights the strong bond between both institutions that has existed over such a long period of time … However, science by its nature looks forward rather than back. In a fast-changing world, chemistry is vital for human prosperity, and the work of scientists is becoming more important than ever. Our joint celebration perfectly underlines that science knows no borders.” Bei jeder Auslandsreise werde ich daran erinnert, dass die Chemie keine Nationalität hat und dass Wissenschaftler Grenzen überqueren müssen, um einander zu begegnen und Ideen auszutauschen. Der bevorstehende Brexit lässt befürchten, dass internationale Kooperationen für uns Briten in Zukunft schwerer werden könnten – nachdem solche Kooperationen im heutigen Europa so einfach geworden sind. Ich hoffe aber, dass unsere Regierungen das ernstnehmen, was wir über den Wert internationaler Partnerschaften und der Mobilität von Forschern zu sagen haben. Wer reist, lernt ständig. Man trifft neue Menschen und erfährt etwas über ihre Tätigkeiten. Und man erkennt viele Gemeinsamkeiten in der Forschungspraxis und in der Motivation von Wissenschaftlern: Der Wunsch nach einer eigenen Laufbahn, der Respekt junger Forscher gegenüber ihren Lehrern und die Verbindungen zwischen Forschern, die oft ein Leben lang halten, sind in allen Ländern zu beobachten. Ein großartiges Erlebnis hatte ich kürzlich, als ich auf einer Indienreise eine Schule in Mumbai besuchte. Ich durfte beim Chemieunterricht zusehen und fand mich in einem Klassenzimmer voll mit 14-Jährigen wieder. Ich verfolgte den Unterricht für 20 Minuten, bis der Lehrer mich unvermittelt fragte “Möchten Sie mich ablösen?”. “Ja, sehr gerne” antwortete ich, und ich sprach über das Periodensystem. Es war wundervoll zu sehen, wie begierig die Schüler nach Wissen waren und wie viele Fragen sie hatten. Nach zehn Minuten dankte ich dem Lehrer und wollte mich wieder hinsetzen, als er erwiderte “Aber nein, Sie haben noch eine halbe Stunde!”. Ich improvisierte also mit “Lasst mich etwas über chemische Gleichungen erzählen”, und nach dem Ende der Stunde war ich von jungen Menschen umringt, die Gleichungen für mich aufstellen wollten. Besuche im Ausland haben mir auch vor Augen geführt, dass wir dankbar sein sollten für unsere starken Forschungseinrichtungen, die zweifellos zur Weltspitze zählen. Man sieht, wie weit einige Länder ihre Forschung noch entwickeln müssen, aber auch, wie schnell der Fortschritt in anderen ist, besonders in China, Indien und Brasilien. Im März 2018 war ich zu Gast bei der American Chemical Society Conference in New Orleans. Im Rahmen dieser Konferenz fand auch ein Präsidenten-Symposium statt, dem ich gemeinsam mit Prof. Allison Campbell (der ehemaligen ACS-Präsidentin) und Prof. Dr. Thisbe Lindhorst (der ehemaligen GDCh-Präsidentin) vorstand. Das Thema war die Bedeutung von Vertrauen in der Chemie. Dieses Thema ist naturgemäß von großer Bedeutung in einer Welt, in der Vertrauen und Wahrheit nicht den Stellenwert zu genießen scheinen, der ihnen zusteht. Der Nobelpreisträger Professor Ben Feringa, einer der Kuratoren der Royal Society of Chemistry, brachte es kürzlich in Chemistry World auf den Punkt: “The biggest threat to science is those who think science is only an opinion.” Die Weltbevölkerung wird bis zum Jahr 2050 auf neun Milliarden Menschen wachsen, und jeder Einzelne, jede Gemeinschaft, jede Firma und jede Nation muss dabei helfen, die damit verbundenen globalen Herausforderungen zu meistern. Chemiker arbeiten bereits international zusammen an innovativen Lösungen – von Membranen zur Wasseraufbereitung und dürreresistenten Pflanzen über neue Antibiotika bis hin zu Batterien und Solarzellen. Die Geschichte zeigt, dass es die Grundlagenforschung von heute ist, die zu den bahnbrechenden Technologien von morgen führt. Wir werden auch in diesem Jahr aktiv zur internationalen Zusammenarbeit beitragen, denn der EuCheMS-Kongress (European Association for Chemical and Molecular Sciences) mit dem Thema “Molecular Frontiers and Global Challenges” findet im August in Liverpool statt. Ich freue mich bereits auf Beiträge aus aller Welt, darunter auch Plenarvorträge von Professoren aus unseren Ländern – Chris Dobson und Stephanie Dehnen. Der Kongress bietet eine großartige Gelegenheit, um Kontakte zu knüpfen, innerhalb von Europa und darüber hinaus. Der Zeitpunkt könnte nicht besser sein, um dem durch die Medien vermittelten Eindruck entgegenzuwirken, Großbritannien würde sich von Europa abwenden. In Liverpool 2018 senden wir ein starkes Signal aus: Wir wollen uns nicht abschotten, sondern die Türen weit öffnen. Wir müssen absolut sicherstellen, dass die Bedürfnisse der Wissenschaft unseren Regierungen klar kommuniziert werden, wieder und immer wieder, denn ich glaube fest daran, dass eine starke wissenschaftliche Forschung, in diesem Land und international, jedem etwas bringt. Sie ist nicht nur für Forscher gut: Wir alle profitieren vom wissenschaftlichen Fortschritt, und ein Land mit einer starken Forschung wird sich auch einer starken Wissensökonomie erfreuen. Unsere chemischen Gesellschaften haben 150 Jahre lang zusammengearbeitet und prosperiert. Ich habe mich über die Gelegenheit gefreut, an der Jubiläumsfeier der GDCh teilzunehmen und so das Vermächtnis unseres gemeinsamen Gründers, August Wilhelm von Hofmann, lebendig zu halten. Schon in den frühen Tagen der GDCh stand er für die Bedeutung von internationaler Zusammenarbeit und Freundschaft, und er bereitete den Weg für das gemeinsame Streben unserer beiden Gesellschaften bis zum heutigen Tag und für viele weitere Jahre.

Referência(s)
Altmetric
PlumX