Artigo Revisado por pares

„Culto della romanità“ in einer Grenzregion des faschistischen Italien. Der (Sonder-)Fall Südtirol/Alto Adige

2018; R. Oldenbourg Verlag; Volume: 306; Issue: 3 Linguagem: Alemão

10.1515/hzhz-2018-0016

ISSN

2196-680X

Autores

Wolfgang Strobl,

Tópico(s)

Italian Fascism and Post-war Society

Resumo

Zusammenfassung Nachdem Südtirol im Jahr 1919 im Pariser Friedensvertrag Italien zugeschlagen worden war, sah sich der Nationalstaat vor das Problem gestellt, eine sprachlich und kulturell andersartige Bevölkerungsgruppe in den Staatsverband zu integrieren. Nach der Machtergreifung Mussolinis, als der Nationalismus Teil der Staatsideologie wurde, startete das Regime gegenüber der österreichischen Minderheit eine radikale Italianisierungs- und Assimilierungspolitik. In dem Bemühen, die italienische (oder vielmehr faschistische) Herrschaft zu legitimieren und mitunter auch zu inszenieren, bediente man sich der römischen Geschichte und der in dieser Region aufgefundenen römischen Denkmäler. Über die Reaktivierung der historischen Erinnerung ließ sich an den Glanz und an die Größe des römischen Imperiums anknüpfen, der Anspruch auf das Land rechtfertigen und die faschistische Präsenz als Ergebnis der Rückkehr in ein angestammtes Herrschaftsgebiet deuten. Durch die besondere Hervorhebung der militärischen und zivilisatorischen Leistungen der Römer, etwa im Straßen-, Brücken-, und Hausbau, und durch die Betonung einer realen und ideellen Kontinuität zwischen dem römischen und faschistischen Imperium sollte in einer analogen Spiegelung auch die eigene Superiorität erwiesen werden. Die Anbindung der Region an die nationale Geschichte und an die nationalen Institutionen war besonders dem Irredentisten und Nationalisten Ettore Tolomei, der in seiner vielfältigen Propagandatätigkeit immer wieder und auf verschiedene Weise die römische Geschichte bemühte, ein zentrales Anliegen. Aber auch zahlreiche Archäologen, Architekten, Ingenieure, Künstler, Journalisten und Lehrer leisteten im „Alto Adige“ einen Beitrag zur Belebung und Verbreitung des „mito di Roma“. Der Rom-Mythos in all seinen Ausformungen, der Glaube an den Primat und an die zivilisatorische Sendung Roms hat seine Wurzeln im italienischen Risorgimento. Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts greifen ihn nationalistische Gruppen und Parteien auf, so dass er leicht Eingang in die faschistische Ideologie finden konnte. Diese großangelegte Instrumentalisierung und Manipulation der (römischen) Geschichte mit all ihrer leeren Rhetorik, mit all ihren Verzerrungen und Verfälschungen manifestiert sich in dieser nördlichsten Provinz des faschistischen Italien zwar häufig in ganz spezifischen Ausformungen, korreliert ingesamt aber strukturell und ideologisch sehr eng mit dem auf nationaler Ebene intensiv betriebenen „culto della romanità“. Und hier wie da hatte dieser auch zur Stiftung von Identität beizutragen.

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