Schwarze Löcher sind Realität

2020; Wiley; Volume: 51; Issue: 6 Linguagem: Alemão

10.1002/piuz.202001598

ISSN

1521-3943

Autores

S. Gillessen,

Tópico(s)

Astrophysical Phenomena and Observations

Resumo

Die schwedische Akademie der Wissenschaften vergibt den Nobelpreis für Physik 2020 zu einer Hälfte an Roger Penrose „für die Entdeckung, dass die Entstehung Schwarzer Löcher eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist.” Die andere Hälfte teilen sich Reinhard Genzel und Andrea Ghez „für die Entdeckung eines supermassereichen, kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie.” Die schwedische Akademie der Wissenschaften vergibt den Nobelpreis für Physik 2020 zu einer Hälfte an Roger Penrose „für die Entdeckung, dass die Entstehung Schwarzer Löcher eine robuste Vorhersage der Allgemeinen Relativitätstheorie ist.“ Die andere Hälfte teilen sich Reinhard Genzel und Andrea Ghez „für die Entdeckung eines supermassereichen, kompakten Objekts im Zentrum unserer Galaxie.“ Im Jahr 1783 veröffentlichte der englische Astronom und Priester John Michell eine Berechnung, die zum ersten Mal die Idee eines Schwarzen Lochs vorstellte: Ein Stern mit der Dichte der Sonne, aber einem 500 Mal größeren Durchmesser, müsste eine derart starke Schwerkraft ausüben, das nicht einmal Licht ihm entkommen könnte. Er folgerte: „Wir könnten keine Information durch Licht erhalten; wenn andere leuchtende Körper zufällig um sie [die dunklen Objekte] kreisen, könnten wir vielleicht aus den Bewegungen der umlaufenden Körper mit einem bestimmten Maß an Wahrscheinlichkeit auf die Existenz der zentralen [Objekte] schließen“. Diese Schlussfolgerung sollte sich 220 Jahre später bestätigen. Darstellung der Sternbahnen nahe dem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße (Grafik: ESO/L. Calçada/spaceengine.org). Die mathematischen Grundlagen der Schwarzen Löcher legte Albert Einstein 1915 in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie. Noch im selben Jahr fand Karl Schwarzschild die statische, sphärisch-symmetrische Lösung der Gleichungen. Diese Lösung besitzt eine Singularität im Zentrum sowie einen Ereignishorizont bei einem Radius, der proportional zur Masse ist. Die Physikergemeinschaft – und mit ihr Einstein selbst – blieb ob dieser rätselhaften Eigenschaften skeptisch, ob es Schwarze Löcher geben könne – schließlich waren alle Berechnungen unter der Annahme sphärischer Symmetrie gemacht und damit fern von jeder astrophysikalischen Realität. Der britische Mathematiker Roger Penrose konnte schließlich 1965 zeigen, dass die Annahme der Kugelsymmetrie nicht notwendig ist. Er führte dazu das Konzept der „eingefangenen Oberfläche“ ein – alle Lichtstrahlen, die von ihr ausgehen, konvergieren in einem Punkt. Leicht zu sehen ist etwa, dass jede Kugelfläche innerhalb des Ereignishorizontes eine solche eingefangene Oberfläche ist. Im Allgemeinen benötigt man aber die Annahme der Symmetrie nicht. Penrose konnte außerdem zeigen, dass ein Gravitationskollaps unvermeidlich ist, wenn sich eine eingefangene Oberfläche gebildet hat. Damit war klar: Sterne können zu Schwarzen Löchern kollabieren. Das was der entscheidende Puzzlestein, für den Penrose nun mit dem Nobelpreis geehrt wurde. Bekannter ist Penrose vielleicht für den nach ihm benannten Prozess – eine Überlegung wie man die Rotationsenergie eines rotierenden Schwarzen Loches anzapfen könnte. Der Schlüsselgedanke dazu ist, dass es nicht die Masse eines Schwarzen Loches ist, die immer nur wachsen kann. Es ist die Fläche des Ereignishorizonts, die stetig zunimmt. Für rotierende Schwarze Löcher kann die Masse tatsächlich kleiner werden, wenn gleichzeitig auch der Spin abnimmt. Penrose zeigte, dass man dazu eine Masse in der Nähe des Ereignishorizontes bringen kann und einen Teil der Masse geeignet durch den Horizont schickt. Der andere Teil kann dann mehr Bewegungsenergie erhalten, als es die ursprüngliche Masse hatte. Etwa zeitgleich zu Penroses theoretischer Arbeit verdichteten sich die Hinweise der beobachtenden Astronomen, dass Quasare als akkretierende, supermassereiche Schwarze Löcher verstanden werden können. Quasare sind punktförmige („quasi-stellare“) helle Kerne von Galaxien. Ihre Leuchtkraft übersteigt in vielen Fällen die der gesamten Galaxie, in der sie sich befinden. Die enorme Helligkeit ist nur durch Akkretionsscheiben um Schwarze Löcher mit Millionen bis Milliarden Sonnenmassen zu erklären. Da diese Schwarzen Löcher räumlich immer noch kleiner als das Sonnensystem sind, erklärt dieses Modell auch damals bereits beobachtete schnelle Helligkeitsvariationen der Quasare. Donald Lynden-Bell und Martin Rees schlugen 1971 vor, dass sich auch im Zentrum der Milchstraße ein solches Massemonster befinden könnte – freilich auf Diät gesetzt und damit ohne leuchtende Akkretionsscheibe. Diese Idee griff Charles Townes, Nobelpreisträger für Physik 1964, mit seinem Team in Berkeley auf und begann mit spektroskopischen Methoden die Radialgeschwindigkeiten des Gases in der Umgebung der Radioquelle Sgr A* im Milchstraßenzentrum zu vermessen. Sie fanden Geschwindigkeiten von mehreren Hundert Kilometern pro Sekunde – und schlossen, dass im zentralen Bereich mit wenigen Lichtjahren Durchmesser rund vier Millionen Sonnenmassen vereint sein müssen. Die Gasmessungen waren aber nicht ausreichend, um das Schwarze Loch im Milchstraßenzentrum dingfest zu machen. Viel besser wäre es, wenn man Sterne für die Messung verwenden könnte. 1980 stieß der damals 28-jährige Reinhard Genzel zu Townes Team. Die Arbeit am galaktischen Zentrum sollte sein Lebenswerk werden. 1986 wurde Genzel zum Direktor ans Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik in Garching berufen. Dort verwirklichte er die Idee, individuelle Sterne in 25 000 Lichtjahren Entfernung aufzuspüren und deren Bahnen zu verfolgen. Was simpel klingt, ist technisch extrem anspruchsvoll. Die Staubextinktion in der Milchstraßenebene diktiert, dass man bei etwa 2 µm Wellenlänge beobachten muss – doch die Detektortechnologie im Infraroten war anfangs noch nicht weit genug entwickelt. Die nötige Auflösung erreicht man nur mit Großteleskopen – und muss deswegen vom Erdboden aus durch die turbulente Atmosphäre blicken. Die ersten erfolgreichen Beobachtungen gelangen 1992. In den folgenden Jahren entwickelte Genzel mit seinem Team immer bessere Instrumente, um sich immer näher an das Schwarze Loch heranzutasten. Weltweit gab es nur eine andere Gruppe, die konkurrenzfähig war: Seit 1995 beobachtete Andrea Ghez mit den Keck-Teleskopen in Hawaii ebenfalls das galaktische Zentrum. Es folgte ein akademisches Wettrennen. Die erste Entdeckung von Sternen und deren Eigenbewegungen in nur wenigen Lichtstunden Abstand zum galaktischen Zentrum gelang Genzels Team. Die ersten Beschleunigungsmessungen veröffentlichte Ghez, die erste Bestimmung der Umlaufbahn eines Sterns gelang Genzel im Jahr 2002. Ghez konnte die erste Radialgeschwindigkeit 2003 präsentieren. Noch im gleichen Jahr entdeckte Genzel, dass Sgr A* im Infraroten Strahlungsausbrüche zeigt, die direkt in der Nähe des Ereignishorizontes aufleuchten. Mit der Bestimmung der Umlaufbahnen hatte man ganz direkt und zweifelsfrei die eingeschlossene Masse vermessen. Kombiniert mit dem geringsten Abstand von gerade einmal 120 Astronomischen Einheiten zum Zentrum blieb nur eine Erklärung übrig: Sgr A* ist ein supermassereiches schwarze Loch mit vier Millionen Sonnenmassen. Sgr A* ist bis heute der bei Weitem überzeugendste Beweis, dass es Schwarze Löcher tatsächlich gibt. Die Leiter der beiden Teams erhalten für ihre jahrzehntelange Arbeit dieses Jahr den Nobelpreis. Ein massereiches Schwarzes Loch in unserer kosmischen Nachbarschaft ist ein einzigartiges Labor. Das hat in der Folge beide Teams eingeladen, ihre Messungen immer weiter zu verfeinern und zum Beispiel so die Relativitätstheorie an der größten, uns zugänglichen Masse zu überprüfen. Hierbei hat Genzels Team seit 2017 die Nase uneinholbar vorn: Die Großteleskope der Europäischen Südsternwarte ESO auf dem Paranal in Chile können zu einem Interferometer zusammengeschaltet werden, das eine Auflösung ermöglicht, die einem 120-m-Teleskop entspricht. Auf der amerikanischen Seite gibt es kein vergleichbares Instrument. Unter Leitung von Frank Eisenhauer, der langjähriges Mitglied in Genzels Arbeitsgruppe ist, hat ein europäisches Konsortium das Interferometer GRAVITY gebaut, das es seit kurzem ermöglicht, Positionen auf zehn Mikrobogensekunden genau zu messen. Würde Genzels Nobelpreis-Medaille auf dem Mond liegen, mit GRAVITY könnte er den linken vom rechten Rand unterscheiden. Das ist auch genau genug, um die Umlaufbewegungen der Strahlungsausbrüche von Sgr A* zu vermessen. Es bleibt spannend, welche Geheimnisse dem Schwarzen Loch noch zu entlocken sind! Open Access Veröffentlichung ermöglicht und organisiert durch Projekt DEAL. Stefan Gillessen promovierte am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg. Seit 2004 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter in Reinhard Genzels Team, das seit 1992 das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße erforscht. 2013 erhielt er einen ERC Starting Grant zu den Sternbahnen um Sgr A*.

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