Artigo Revisado por pares

Digitalisierung im Bestand – warum und wie?

2021; Wiley; Volume: 116; Issue: 8 Linguagem: Alemão

10.1002/best.202170803

ISSN

1437-1006

Autores

Steffen Marx,

Tópico(s)

Flexible and Reconfigurable Manufacturing Systems

Resumo

Die digitale Revolution ist die wichtigste Sprunginnovation in unserer Zeit. Die mit ihr verbundenen globalen Veränderungen sind ähnlich tiefgreifend wie die der industriellen und der wissenschaftlichen Revolution und betreffen alle gesellschaftlichen Bereiche. Auch im innovationsträgen Bauwesen wird die Digitalisierung mehr und mehr zum Thema, für die einen zur Freude, für die anderen zum Leid. Digitalisierung allein bietet noch keinerlei Mehrwert, erzeugt in jedem Falle aber großen Aufwand. Mit den richtigen Konzepten kann uns die Digitalisierung aber einen echten Gewinn bringen und besonders im Bestand dafür sorgen, dass wir unsere Bauwerke wesentlich effizienter und vor allem länger nutzen können. Und Bauwerke länger nutzen, das ist fraglos der wichtigste Schlüssel zu weniger Abfall, zu weniger Ressourcenverbrauch und zu weniger CO2-Ausstoß. Eines der wichtigsten Elemente stellt in diesem Kontext das Konzept des digitalen Zwillings dar. Die Technologie und Methodik des digitalen Zwillings wird bereits seit mehr als 20 Jahren im Maschinen- und Fahrzeugbau angewendet. Sie bietet jedoch auch für das Bauwesen, speziell für den Betrieb von Infrastrukturnetzen, ein enormes Potenzial und ist Voraussetzung für eine moderne, prädiktive Instandhaltung sowie für die Verknüpfung von Infrastruktur- und Mobilitätsinformationen. Die Basis für den digitalen Zwilling ist ein genaues, georeferenziertes, dreidimensionales Geometriemodell, welches um Struktur-, Material- und weitere Daten angereichert wird. Dieses digitale Modell entspricht weitgehend der Philosophie des Building Information Modeling, jedoch mit besonderem Augenmerk auf Betrieb und Instandhaltung. Herstellungsaspekte sind nur insofern von Bedeutung, wie sie Einfluss auf die Betriebsphase bzw. die Lebensdauer haben. Zum digitalen Zwilling wird das Modell zunächst durch die Verknüpfung mit den Zustandsinformationen des realen Objekts. Diese stammen aus den klassischen Methoden der Instandhaltung und Inspektion, insbesondere aus der regelmäßigen periodischen Begutachtung. Zum anderen werden Daten aus dem Bauwerksmonitoring gewonnen und automatisiert, im Idealfall in Echtzeit, in den digitalen Zwilling übertragen. Darüber hinaus bedeutet der Begriff Digitaler Zwilling, dass eine bi-direktionale Rückkopplung zwischen dem realen und dem digitalen Objekt stattfindet. Aus den automatisierten Analysen des digitalen Zwillings wird also das reale Objekt selbst beeinflusst, zum Beispiel indem der Verkehr reguliert oder Instandhaltungsmaßnahmen veranlasst werden. Die große Herausforderung besteht bei einem solchen digitalen Konzept darin, dass kontinuierlich gigantische Mengen von Daten unterschiedlichster Struktur und Herkunft (Big Data) entstehen und im digitalen Zwilling zusammengeführt werden. Daten sind jedoch nicht gleichzusetzen mit Information, diese entsteht erst in einer systematischen Auswertung, welche wegen des kontinuierlichen Ansatzes automatisiert stattfinden muss. Darüber hinaus muss die Information nutzergerecht so aufbereitet werden, dass eine vom Menschen schnell und weitgehend intuitiv erfassbare Zustandsinformation entsteht. Dafür werden sogenannte Zustandsindikatoren entwickelt und mittels geeigneter Softwareplattformen am Bildschirm oder mit Virtual und Augmented Reality visualisiert. Dieser ganzheitliche Aggregations-, Auswertungs- und Visualisierungsprozess ist von entscheidender Bedeutung für die tatsächliche Nutzbarkeit und damit für die Akzeptanz bei den beteiligten Personen und Institutionen. Eine nur teilweise Umsetzung, zum Beispiel indem allein Messdaten visualisiert werden, ist in höchstem Maße kontraproduktiv, weil eben genau kein Mehrwert dabei generiert wird und am Ende die Nutzer mit großen Fragezeichen ziemlich frustriert im Regen stehen. Ein weiterer bedeutender Aspekt ist die Verknüpfung und Visualisierung aller Daten und Auswertungen in Raum und Zeit. Bei globaler Georeferenzierung der Modelle lassen sich diese künftig zu Clustern zusammenfassen; es entstehen digitale Abbildungen ganzer Verkehrsnetzwerke oder Städte. Damit kann die Funktionalität der digitalen Zwillinge wesentlich erweitert werden. Beispielsweise können Fahrzeuginformationen integriert und zur Verkehrssteuerung verwendet werden. Perspektivisch lassen sich Sensordaten aus Fahrzeugen zur Bewertung des Brückenzustands bzw. der Brückenbelastung nutzen. Außerdem eignen sich die digitalen Zwillinge ideal für die Simulation veränderter Nutzungsszenarien. Wie kommen wir nun voran? Wichtig ist es, im Rahmen von Pilotvorhaben das Konzept des digitalen Zwillings konkret umzusetzen und Erfahrungen damit zu sammeln. Ein Beispiel dafür ist das Projekt smartBRIDGE Hamburg, ein sehr umfassender digitaler Zwilling der Köhlbrandbrücke. Aber auch für kleinere Brücken muss das Konzept erprobt werden, ggf. auch ganz ohne Monitoring. Darüber hinaus müssen diese Objekte zukünftig im Sinne eines Asset-Managements zusammengefasst und in einer Plattform betrieben werden – auch dafür braucht es Pilotierungen. Für den oben beschriebenen ganzheitlichen Ansatz braucht es außerdem neue Werkzeuge und Methoden. Deren Entwicklung wird derzeit zum Beispiel in vielen Projekten des mFUND vorangetrieben. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft wurde dazu auch das neue Schwerpunktprogramm 2388 „Hundert plus“ eingerichtet, welches im nächsten Jahr seine Arbeit beginnt. Und vor allem braucht es jetzt unseren Mut, sich auf die Chancen und Risiken der neuen digitalen Technologien einzulassen, sie auszuprobieren und iterativ zu verbessern, um die richtigen Entwicklungen voran zu treiben und deren gewaltiges Potenzial zu erschließen. Steffen Marx Prof. Dr.-Ing. Steffen Marx TU Dresden

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