Artigo Acesso aberto Revisado por pares

Wissenschaftliche Integrität

2017; Wiley; Volume: 129; Issue: 15 Linguagem: Alemão

10.1002/ange.201700613

ISSN

1521-3757

Autores

Joseph S. Francisco, Ulrike Hahn, Helmut Schwarz,

Tópico(s)

Ethics in Clinical Research

Resumo

… Wissenschaftliche Integrität ist nicht nur die Grundlage wissenschaftlicher Untersuchungen, sondern zugleich die Voraussetzung für ein positives Image von Forschung … Für Einzelpersonen ist die Integrität ein Aspekt moralischer Natur und Erfahrung. Für Institutionen geht es um die Schaffung einer Umgebung, die verantwortungsbewusstes Handeln fördert … In erster Linie sind die Forschungseinrichtungen gefordert, Leitlinien und Verhaltenskodexe zur wissenschaftlichen Integrität bereitzustellen …” Lesen Sie mehr im Editorial von J. S. Francisco, U. Hahn und H. Schwarz. Integrität ist für die öffentliche Unterstützung von grundlegender Bedeutung. Herausforderungen in zahlreichen wissenschaftlichen Disziplinen einschließlich unserer eigenen und unsere Reaktionen darauf haben das öffentliche Vertrauen und die öffentliche Unterstützung für unsere wissenschaftliche Arbeit untergraben. Als Wissenschaftler war es für uns selbstverständlich, dass ein integres Verhalten für die öffentliche Unterstützung unserer Arbeit besonders wichtig ist. Es ist nachvollziehbar, dass die Menschen, die unsere Arbeit finanzieren, d. h. die Steuerzahler, eher bereit sind, wissenschaftliche Untersuchungen zu unterstützen, wenn sie der Qualität und Richtigkeit der ermittelten Ergebnisse trauen können. Zu den weiteren Werten, die für wissenschaftliche Untersuchungen, insbesondere gemeinschaftliches wissenschaftliches Arbeiten, von grundlegender Bedeutung sind, zählen Verantwortlichkeit, Transparenz und Fairness. Integrität fördert all diese Werte. Da die Wissenschaft definitionsgemäß global ist, steht Integrität im Zentrum dessen, wie effektiv wir Leben durch wissenschaftliche Entdeckungen und Aufklärung weltweit verbessern können. Die National Academy of Sciences der USA definiert die wissenschaftliche Integrität wie folgt: “For individuals research integrity is an aspect of moral character and experience. It involves above all a commitment to intellectual honesty and personal responsibility for ones actions and to a range of practices that characterize responsible research conduct.”1 Darüber hinaus wird Integrität in der Forschung als Einhaltung ethischer Grundsätze und fachlicher Normen für die verantwortungsvolle Forschungspraxis definiert. Dies schließt den Einsatz redlicher und nachprüfbarer Methoden beim Vorschlagen, Durchführen und Bewerten von Forschung ein. Für Einzelpersonen ist die Integrität ein Aspekt moralischer Natur und Erfahrung. Für Institutionen geht es um die Schaffung einer Umgebung, die verantwortungsbewusstes Handeln fördert, indem Standards für Exzellenz und Vertrauenswürdigkeit die Grundlage bilden. Beim Treffen in Berlin hat M. H. A. Hassan von InterAcademy Partnership (IAP) die Ergebnisse von zwei Konsensberichten erläutert.2 Diese Berichte, auf deren Grundlage ein internationaler Konsens wissenschaftlicher Institutionen geschmiedet werden soll, dienen als Leitfaden zur Förderung der wissenschaftlichen Integrität, um die Verantwortlichkeit der weltweiten Forschergemeinde zu verstärken, die Fälschung von Forschungsergebnissen sowie die Publikation von Pseudo-Ergebnissen ohne wissenschaftliche Grundlage und von Plagiaten zu vermeiden, vertrauliche Informationen zu schützen, die Forschungsergebnisse von Kollegen angemessen anzuerkennen und Interessenskonflikte zu vermeiden.2 Die Verhaltenskodexe, die von verschiedenen Fachgesellschaften veröffentlicht wurden, konzentrieren sich auf Schikanierung, faire Entlohnung, Diskriminierung, Vertraulichkeit, Betrug in der Forschung und Datenaustausch. Im Verhaltenskodex der American Chemical Society ist auch das Recht auf Gleichbehandlung ein zentraler Punkt, und es werden die Richtlinien für die Gestaltung von Arbeitsplätzen frei von Ausbeutung, Diskriminierung und jeder Form der Schikane betont (https://www.acs.org/content/acs/en/careers/career-services/ethics.html). Im Folgenden sind die Kodexe kommentiert zusammengefasst: Chemiker müssen dem öffentlichen Interesse und der öffentlichen Sicherheit dienen und die wissenschaftlichen Kenntnisse weiterentwickeln. Öffentliche Kommentare zu wissenschaftlichen Themen sollten mit großer Sorgfalt und Genauigkeit, ohne übertriebene oder verfrühte Aussagen abgegeben werden. Chemiker müssen dafür sorgen, dass ihre wissenschaftlichen Beiträge und die ihrer Mitarbeiter präzise und unvoreingenommen in Konzeption, Durchführung und Präsentation sind. Die Verantwortung von Chemikern gegenüber Berufskollegen besteht darin, danach zu streben, mit den Entwicklungen im eigenen Fachgebiet auf dem aktuellen Stand zu bleiben, Ideen und Informationen auszutauschen, Laborbücher vollständig und korrekt zu führen und die Integrität in allen Verhaltensweisen und Veröffentlichungen zu wahren. Kodexe wie diese stellen einen wichtigen Schritt zur Wahrung der wissenschaftlichen Integrität dar, sind jedoch für sich genommen unvollständig. Mit ihnen kann nur dann eine Wirkung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft erzielt werden, wenn sie in Methoden und Verfahren eingebettet sind, die ihre Anwendung sicherstellen. Für eine Kultur der wissenschaftlichen Integrität ist es vor allem erforderlich, dass der wissenschaftlichen Gemeinschaft die relevanten Verhaltenskodexe bekannt sind. Studierenden, Professoren und Mitarbeitern müssen die Verhaltenskodexe bereitgestellt werden. Dabei ist das zentrale Ziel, dem Einzelnen Kenntnisse zu Integritätsthemen zu vermitteln und dadurch dessen Fähigkeit zu verbessern, ethische und informierte Entscheidungen zu treffen. Angesichts der wichtigen Rolle, die Mentoren in der Entwicklung des wissenschaftlichen Nachwuchses spielen, sind die Auszubildenden bei Aus- und Weiterbildung sowie Laufbahnberatung auf diese angewiesen. Leider werden abwesende Mentoren, wie sie Sandra Titus vom US-Gesundheitsministerium beschrieb, immer mehr zur Normalität. Referenten beim Forum äußerten die Meinung, dass das Bewusstsein für Themen rund um wissenschaftliche Integrität bei Nachwuchswissenschaftlern möglicherweise viel geringer ist als wünschenswert. So kann es immer noch sein, dass sie nie mit den in Verhaltenskodexen enthaltenen Themen in Berührung gekommen sind oder zumindest sich nicht damit auseinandergesetzt haben. Deshalb ist aus dem Forum der Vorschlag hervorgegangen, dass Institutionen Kurzlehrgänge für neue Doktoranden dazu anbieten müssen, was wissenschaftliche Integrität ist und welche Verantwortung Wissenschaftler in Bezug auf die Wahrung von Standards für eine verantwortungsvolle Forschung haben. Tatsächlich tragen viele wissenschaftliche Gesellschaften, Regierungsbehörden und Stiftungen der Bedeutung von Integrität in der Forschungsarbeit Rechnung, indem sie ihre eigenen pädagogischen Ansätze entwickeln. So haben Gesellschaften wie die American Association for the Advancement of Science (AAAS) und Sigma Xi, The Scientific Research Society, Materialien entwickelt, um ihre Gemeinschaft in Aspekte der Integrität in der Forschung einzuführen. AAAS hat beispielsweise Lehrvideos dazu erstellt (https://www.aaas.org/page/integrity-scientific-research-video-series). Angesichts der vielfältigen Anstrengungen, die zur Förderung der Integrität in der Forschung unternommen wurden, müssen wir uns fragen, warum trotzdem immer noch – oder sogar immer mehr – zahlreiche Verletzungen ethischer Grundsätze auftreten. Kommen Forscher in ihrer beruflichen Entwicklung zu spät mit dem Thema in Berührung? Sollte die Entwicklung und Wahrung wissenschaftlicher Integrität in die Lehrpläne aufgenommen werden? Solche Initiativen findet man in einigen Disziplinen (wie der Psychologie), in denen schon die Erhebung von Grunddaten häufig die Interaktion mit der Öffentlichkeit erfordert. Die ethischen Themen sind jedoch in anderen Disziplinen, in denen Wissenschaftler und Gesellschaft möglicherweise zunächst indirekter interagieren, nicht weniger wichtig. Da die ganze wissenschaftliche Gesellschaft über wissenschaftliche Integrität aufgeklärt werden muss, geht das Thema notwendigerweise über das Individuum hinaus. In erster Linie sind die Forschungseinrichtungen gefordert, ihre Studierenden, Professoren und Mitarbeiter mit Leitlinien und Verhaltenskodexen zur wissenschaftlichen Integrität vertraut zu machen, die Anerkennung von Meinungsvielfalt zu fördern und die Forscher über die institutionellen Bestimmungen und behördlichen Vorschriften zu informieren, die für die Forschung gelten. Wie bereits mehrfach betont wurde, erreicht jedoch kein System von Regeln und Vorschriften die Bedeutung, die die Beratung und Anleitung durch wissenschaftliche Mentoren dafür haben, dass der Geist und die Bestimmungen der wissenschaftlichen Integrität gewissenhaft an die nachfolgenden Generationen übermittelt und von ihnen umgesetzt werden. Da man leider von keinem Regelsystem erwarten kann, ohne irgendein Mittel der Sanktion wirksam zu sein, ist es notwendig, dass die Institutionen effektive Verfahren einführen, um Verletzungen der wissenschaftlichen Integrität zu verhindern, jedoch ohne eine enorme Bürokratie aufzubauen, die letztendlich und zwangsläufig als primären Zweck hätte, die Institution von der Verantwortung freizusprechen, eine fruchtbare, produktive und vertrauenswürdige Umgebung zu schaffen. Sollte trotz großer Bemühungen der unglückliche Fall eintreten, dass eine Institution dabei nicht erfolgreich ist, müssen die institutionellen Reaktionen/Antworten auf Problemsituationen das verantwortliche Handeln genauso deutlich machen wie die entsprechenden Richtlinien und Programme. Idealerweise beschränken sich solche Reaktionen nicht auf die akademischen Institutionen, sondern schließen auch Redaktionen von Fachzeitschriften und Forschungsförderer ein. In diesem Bereich waren in den letzten Jahren entscheidende Veränderungen zu beobachten. Dies sei anhand von Beispielen aus Deutschland verdeutlicht: So haben die deutschen Universitäten nicht nur eine härtere Haltung gegenüber wissenschaftlichem Fehlverhalten, z. B. bei Doktorarbeiten, eingenommen, sondern auch Fachzeitschriften haben ihre Verfahren klarer definiert und geändert. Führende wissenschaftliche Zeitschriften wie die Angewandte Chemie haben zahlreiche Maßnahmen erarbeitet, wie mit Autoren von Beiträgen umzugehen ist, die nicht den Ethikgrundsätzen der Zeitschrift entsprechen. Nicht zuletzt interessieren sich auch Fördereinrichtungen inzwischen für das Thema. So hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) in den letzten Jahren mehrere Wissenschaftler von der Einreichung von Förderanträgen bei ihr oder von der Bewerbung auf Positionen in ihren Ausschüssen ausgeschlossen. Es gibt also nun ein ziemlich breites Spektrum an Sanktionen, die fallspezifisch angepasst werden können. Als Schlussbemerkung sei gesagt, dass das Sein als Wissenschaftler nur aufgrund einer “Kultur der Integrität”, einer Kultur, die schließlich auch die Öffentlichkeit einschließt, weiterhin als das spezielle gesellschaftliche Bemühen angesehen werden wird, das es ist: nicht einfach eine berufliche Aufstiegsmöglichkeit, sondern ein Beitrag zum Kollektiv des menschlichen Wissens, das letztendlich allen gehört und allen dient.

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