Mit Begeisterung für Wissenschaft für die Zukunft gewappnet
2023; Wiley; Volume: 30; Issue: 7 Linguagem: Alemão
10.1002/ckon.202300044
ISSN1521-3730
Autores Tópico(s)History and advancements in chemistry
ResumoIch bin Optimist und liebe das Leben auf diesem wunderschönen Planeten. Aber es lässt sich nicht leugnen: Die fossilen Ressourcen dieser Erde neigen sich dem Ende. Das Klima wird menschenunfreundlicher. Sauberes Trinkwasser und genügend Nahrung werden bei einer noch weiterwachsenden Weltbevölkerung zu einem immer größeren Problem. Pandemien stellen Mediziner und Pharmazeuten vor immer neue Herausforderungen. Und irgendwann, seien wir ehrlich, überlassen wir diesen ganzen Haufen an Schwierigkeiten unseren Kindern, unseren Enkeln. Den Menschen, die jetzt – oder in den kommenden Jahren – als Schülerinnen und Schülern in Ihren Klassenräumen sitzen. Ist die nächste Generation in der Lage, all das zu meistern? Wie kann es uns gelingen, ihnen das nötige Rüstzeug dafür zu geben? Die Antwort ist so banal wie offensichtlich: Wir müssen sie ausbilden. Und das beinhaltet neben dem reinen Vermitteln von Wissen vor allem eines – wir müssen sie für die Wissenschaft begeistern. Ich war noch sehr jung, als für mich feststand, dass ich Chemiker werden wollte. Chemiker verstehen die Welt, dachte ich. Immerhin können sie alle Dinge bis auf atomare Ebene untersuchen. In meiner Begeisterung richtete ich als Elfjähriger gemeinsam mit einem Freund in einem Frankfurter Keller mein erstes Labor ein. Vom Apotheker, der im Erdgeschoss sein Ladenlokal hatte, besorgten wir uns alle möglichen Utensilien. Wir hatten dem Mann erzählt, wir wollten Waschmittel für unsere Mütter herstellen. In Wahrheit hatten wir es auf Schwarzpulver abgesehen. Es war alles wahnsinnig spannend und machte uns großen Spaß. Erst, als ein Versuch schiefging und dicke Rauchschwaden aus dem Kellerfenster quollen, merkte der Apotheker, dass wir wohl doch kein Waschmittel herstellen wollten. Über die berechtigte Frage, ob er nicht gleich bei der Zutatenliste hätte Verdacht schöpfen müssen, legen wir einmal den Mantel des Schweigens. Auch wenn der Apotheker uns nach dem Vorfall den Nachschub an Chemikalien verwehrte, und auch wenn ich heute weiß, dass Chemiker natürlich nicht immer alles verstehen, so ist meine Leidenschaft für die Chemie geblieben. Denn sie ist eine wunderschöne, kreative Wissenschaft und zudem von unglaublicher Bedeutung für die Zukunft der Menschheit. Ob es um alternative Energiequellen geht, um die Etablierung einer Kreislaufwirtschaft, um neue wirksame Medikamente: Ohne Chemikerinnen und Chemiker werden wir die Probleme der Menschheit nicht lösen können. Heute würde ich natürlich niemandem empfehlen, Kinder und Jugendliche unbeaufsichtigt und ohne Schutzkleidung im heimischen Keller experimentieren zu lassen. Doch im Kern bin ich davon überzeugt, dass Chemie eine Wissenschaft zum Anfassen ist – und das Experimentieren in der Schule ein grundlegender Baustein für die Begeisterung für dieses wunderbare und extrem wichtige Schulfach ist. Natürlich muss der Lehrplan es zulassen, dass die Kinder ihre Nasen nicht nur in die Bücher stecken, sondern auch mal – mit Vorsicht – in die Nähe eines Reagenzglases halten dürfen. Wenn zu viel Theorie durchgenommen werden muss, bleibt für die Praxis nur wenig Zeit. Doch unterschätzen Sie niemals Ihre Rolle als Lehrerin oder Lehrer! Vermitteln Sie den notwendigen theoretischen Hintergrund, natürlich. Aber lassen Sie die Schülerinnen und Schüler auch an die Laborbänke! Erinnern Sie sich daran, was Sie dazu bewogen hat, Chemielehrerin oder -lehrer zu werden. Wecken Sie die Neugier und den Enthusiasmus Ihrer Schülerinnen und Schüler. Zeigen Sie ihnen, dass Chemie ein Fach ist, auf das sie sich Woche für Woche freuen können. Benjamin List, geboren 1968 in Frankfurt, arbeitet als Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mülheim an der Ruhr. Er studierte Chemie in Berlin und Frankfurt, bevor er als Postdoktorand und Assistant Professor an das Scripps Research Institute in La Jolla/USA wechselte. 2021 wurde er für die Entwicklung der Organokatalyse mit dem Chemie-Nobelpreis ausgezeichnet. Foto: Henning Kretschmer/MPI für Kohlenforschung.
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