Artigo Revisado por pares

Friedrich Zweigelt (1888–1964). Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist by Daniel Deckers (review)

2023; Austrian Studies Association; Volume: 56; Issue: 4 Linguagem: Alemão

10.1353/oas.2023.a914887

ISSN

2327-1809

Autores

Martin A. Hainz,

Resumo

Reviewed by: Friedrich Zweigelt (1888–1964). Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist by Daniel Deckers Martin A. Hainz Daniel Deckers, Friedrich Zweigelt (1888–1964). Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist. Wien: Böhlau Verlag, 2023. 196 S. Friedrich Zweigelt ist ein Name, den man nicht kennen muss, um ein Verständnis der österreichischen Geschichte zu haben, so räumt Daniel Deckers gleich zu Beginn seiner Biographie ein: "Man kann sich ein Bild von der Geschichte Österreichs im 20. Jahrhundert machen, ohne jemals auf den Namen Friedrich Zweigelt zu stoßen. Der Steiermärker, 1888 in der Nähe von Graz geboren, war schließlich kein Politiker, Unternehmer, Intellektueller oder Künstler. Zweigelt war ein Naturwissenschaftler mit Schwerpunkt Biologie, den es noch vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs an die k. k. Höhere Lehranstalt für Wein- und Obstbau in Klosterneuburg bei Wien verschlagen hatte. Von dort aus machte er in den zwanziger Jahren als ehrgeiziger Leiter der ersten und einzigen Bundes-Rebenzüchtungsstation [End Page 123] von sich reden und avancierte dank einer schier unendlichen Schaffenskraft zu dem bedeutendsten Weinfachmann der Ersten Republik" (7). Freilich ahnt man bei der Kombination aus Biologie und Ehrgeiz schon, wohin sich das ab 1938 entwickeln könnte und auch entwickelt hat. Zweigelt wird rasch und durchaus "aus Überzeugung" (7) Nationalsozialist, er nutzt die Ideologie auch—unter anderem gegen unliebsame Kolleg*innen—was für ihn mit dem "Zusammenbruch des Dritten Reiches […] auch das Ende der wissenschaftlichen wie der politischen Karriere" bedeutete: "Gleichwohl ist sein Name weit mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod nicht vergessen," seine Neuzüchtung aus den Sorten Blaufränkisch und St. Laurent aus dem Jahr 1922 ist "die wichtigste Rotweinrebe" Österreichs und eine der drei "flächenmäßig bedeutendste(n) Neuzüchtung weltweit" (7). Deckers geht in seinem Buch der Frage nach, wie ein durchaus aufgeweckter Geist sich so entwickeln kann—so dumpf geraten und sich in den Dienst von Interessen und wirren Ideen stellen. Zum anderen ist es ein Sittenbild, wie Österreich, dessen 1947 "noch immer notleidender Weinbau" (16) seiner trotz allem doch bedürfe, mit diesem Mann verfuhr. Zweigelt ist der Sohn eines Sudeten und wahrscheinlich einer Sorbin aus der Lausitz, der Geburtsort der Mutter ist nicht restlos geklärt (19); ob die Biologie sein Gebiet wurde, weil er hier Rassismus zu lernen erhoffte, oder er in der damals rassistischen Biologie weiter im völkischen Gedankengut befeuert wurde, ist kaum zu beurteilen, jedenfalls forscht er trotz großem Interesse im Bereich der Entomologie alsbald zu botanischen Themen, die in Graz, wohin er zieht, aussichtsreicher ist. Manches aus jener Zeit stellt Zweigelt selbst geschickt so dar, wie er es braucht: Er sei "immer grossdeutsch [sic!] eingestellt" (23) gewesen, schreibt er, einmal, um im Nationalsozialismus erfolgreich zu sein, dann, um vorzugeben, er über dieses kulturelle Empfinden in dessen Verbrechen bloß verstrickt worden: "Sozialist […] schon lange vor meinem Eintritt in die N.S.D.A.P." (23) nennt er sich da in einer weiteren Umdeutung. All diese Deutungen erfolgen genauer "nicht nur ex post" (23), aber doch auch zweckgerichtet. Der Wein wird zum Mittel, dieser Ideologie zu dienen, zumal "nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches," der für Zweigelt bedeutet, es sei nun "eine Frage der Ehre, sich als kleines Land deutscher Sprache gegenüber dem großen Deutschland zu behaupten" (32)—eine bis heute identitätsstiftende Hassliebe nicht zuletzt der Rechten. Diese Ambivalenz ist zugleich Strategie: "Dass Zweigelt 1933 Mitglied der österreichischen NSDAP geworden [End Page 124] war, schlug sich in seinen Publikationen nicht nieder," schreibt Deckers; und er setzt hinzu: "auch nicht, dass er seit 1934 »Illegaler« war, wie er von 1938 bis 1945 nicht müde wurde zu betonen […] und nach 1945 umso vehementer bestritt" (55). Antisemitismus und „Ambitionen […], sich durch eine umfassende »Säuberung« der Mitarbeiterschaft Klosterneuburgs" auch "von »Christlichsozialen« und »Klerikalen« den Weg an die Spitze der Anstalt" ebendort "bahnen zu können" (70), prägen diese Jahre, wobei er auch denunziert und intrigiert. Manche seiner Opfer—so Steingruber—überdauerten letztlich Zweigelts Wirken; jenem hatte Zweigelt als seinem Assistenten beschieden, sein "Fleiß und Können werden Österreichs Weinbau noch manchen Dienst erweisen" (72), was sich trotz diverser Handlungen Zweigelts, der sich gleichwohl als Förderer rühmte, erfüllte...

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