Artigo Revisado por pares

Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffs by Anton Pelinka (review)

2023; Austrian Studies Association; Volume: 56; Issue: 4 Linguagem: Alemão

10.1353/oas.2023.a914889

ISSN

2327-1809

Autores

P. Hoyng,

Tópico(s)

Law and Political Science

Resumo

Reviewed by: Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffs by Anton Pelinka Peter Höyng Anton Pelinka, Faschismus? Zur Beliebigkeit eines politischen Begriffs. Wien: Böhlau, 2022. 273 S. Dem renommierten Politikwissenschaftler Anton Pelinka treiben gleich zwei Sorgen um. Als passionierter Bekenner demokratischer Grundwerte, denen "eine maximale Inklusion aller von politischen Entscheidungen Betroffenen" eignet (260), bestürzt ihn die zu beobachtende Gefahr faschistischer Repressionen, indem sie den besagten politischen Pluralismus einer Demokratie bekämpfen. Doch nicht weniger alarmiert Pelinka der Antifaschismus, insofern unter seinem Banner als politische Ziele "nationaler Sozialismus und die Freiheit von Postkolonialismus oder das Diktat von weltumspannenden Konzernen" ausgerufen wird (260). Während Pelinka also demokratische Grundvorstellungen sowohl von rechtem wie auch linkem Gedankengut, und von Parteien und der ihr jeweils behafteten Politik als Gefahr verortet, irritiert ihn die Unschärfe der im Alltag beliebig verwendeten Begriffe Faschismus und Antifaschismus, die "gebraucht und missbraucht werden" (10 und 22). [End Page 128] Um dieser Beliebigkeit der Begriffe zu entgegnen, bietet Pelinka eine erhellend kontrastive Lesart von fünf historischen Spielarten des Faschismus an: Der real existierende Faschismus in Italien (1922–1943), der Nationalsozialismus in Deutschland mit dem Holocaust als Alleinstellungsmerkmal (1933–1945), der Faschismus als autoritäres Konstrukt in Österreich (1933–1938), die japanische (1937–1945) sowie die spanische Militärdiktatur unter Franco (1939–1975). Insofern jedweder Terminus beabsichtigt, Vielfalt als eine Einheit zu begreifen, zeigen Pelinkas historische Analysen der fünf faschistischen Regime, dass es den Faschismus nicht gab. Vielmehr verdeutlicht er überzeugend, wie heterogen und teilweise diametral entgegengesetzt die besagten diktatorischen Ausformungen in den unterschiedlichen Ländern waren und sie keineswegs eine politische Einheit bildeten, wenn beispielsweise Franco sich weigerte, Hitlers Deutschland 1939 militärisch zu unterstützen oder die japanische heterogen agierende Militärdiktatur Hitlers paranoider Antisemitismus nicht nachzuvollziehen im Stande war. Pelinka schickt diesen historischen Ausführungen allgemeinere politischhistorische Überlegungen voran, um zu klären, was man unter Faschismus verstehen solle, ohne es als nichtssagende Leerformel gebrauchen zu müssen. Dabei nimmt er später dargelegte Beobachtungen historischer Einzelfälle sowie ihre Einschätzungen oftmals vorweg. Und im Anschluss seiner historischen Aufarbeitung der fünf faschistischen Systeme unternimmt der Autor denselben Versuch einer genaueren Begriffsbestimmung bezüglich des Antifaschismus, den er—Hannah Arendts bekanntem Diktum entlehnt—zu einer "Banalität des Guten" degradiert sieht. Pelinkas engagierte Aufarbeitung politisch-historischer Kontexte zur Begrifflichkeit des Faschismus rundet er mit einem "Was tun?" betitelten Epilog ab, auf den er beispielsweise auf Madeline Albrights Fascism. A Warning (2018), Margaret Atwoods dystopischen Roman The Handmaid's Tale (1985) oder Umberto Ecos Projekt "Transcultura" verweist, und sich und uns Mut zuredet, aber letztlich vage bleibt, wenn er anmerkt, dass nur eine starke Demokratie das beste Antidot gegenüber repressiven Systemen von links und rechts anbietet (260). Immer um die Genauigkeit von Begriffen bemüht, klärt Pelinka im Laufe des Buches viele Missverständnisse auf. Wie zum Beispiel die Fehldeutung, dass, der marxistischen Theorie folgend, das politische System der ökonomischen Basis nur übergestülpt sei, und demnach Demokratie bestenfalls nur "Schönwetterkapitalismus" ausmache, hingegen der [End Page 129] Faschismus einen "Schlechtwetterkapitalismus" hervorruft (Griffin 2018). Doch insofern der Faschismus als unausweichliche Krise des Kapitalismus verstanden wird—und somit, nach Bertolt Brecht, Hitler lediglich als "Anstreicher" fungierte—, erklärt dieser vulgärmarxistische Ansatz nicht, so Pelinka, warum das deutsche, italienische und japanische Industriekapital auf die falsche Option gesetzt hatten; nämlich den Verlust auf Maximierung der Profite (31). Ein anderes Mal stellt Pelinka klar, dass zwar jeder Faschismus nationalistisch sei, aber nicht jeder Nationalismus faschistisch (36 und 249). Diese Richtigstellung erweist sich für Austrian Studies insofern aufschlussreich, wenn Pelinka Ernest Gellners These von der Nation als einem Produkt der Moderne in Frage stellt (Gellner 1983), indem sie weder das multiethnische und transkulturelle Kaiserreich noch die kleine Republik nach 1918 hinlänglich erklären könne, und Nationalismus in Bezug auf Österreich nichts anderes als ein Deutschnationalismus gewesen sei (35). Wie kritisch eins ums andere Mal Pelinka vorgeht, zeigt sich gerade auch in seinem Umgang mit dem Begriff Austrofaschismus, wenn er vom autoritären und klerikalen Österreich zwischen 1933 und 1938 spricht. Je nachdem welche Faschismuskriterien man heranziehe, könne sein Gebrauch legitim bzw. illegitim sein (104, 123, 135). So sei der Korporatismus...

Referência(s)
Altmetric
PlumX